Das Wichtigste in Kürze
- Die Titelseiten von «Der Spiegel», «The Economist» und «The New Yorker» haben als Tenor die Aussage, Trump werfe die US-amerikanischen Werte über den Haufen.
- Jonas Voegeli , Dozent für Editorial Design, findet, die Rhetorik der Titelseiten habe sich radikalisiert.
Gelbes Haar, rote Krawatte, Messer in der Hand: Die aktuelle «Spiegel»-Titelseite zeigt Trump als Mörder von Freiheit und Demokratie. Geht das zu weit?
Jonas Voegeli: Trump wird als Extremist, als Gefährder der Demokratie gezeigt. Die Darstellung an sich ist nicht neu. Neu ist die explizite Darstellung des Extremisten, in Bezug auf den IS.
Trump ist ein Figürchen, umgeben von klaren Flächen und Formen. Er wird als Figur, als fast kindliche Puppe, auf einen weissen Grund gesetzt. Das ist als Covermotiv in dieser Abstraktion eher ungewöhnlich – auch für den «Spiegel». Es ist vereinfacht, insofern problematisch und geht zu weit.
Auch Trump spricht vereinfacht. Gibt es da eine Parallele?
Die Titelseite bedient sich einer visuellen Rhetorik, die sehr vereinfacht funktioniert. Eine solche visuelle Rhetorik könnte man durchaus mit der Rhetorik des aktuellen amerikanischen Präsidenten in Verbindung bringen.
Die Reaktionen in Europa und in den USA waren unterschiedlich. Das Cover sei «atemberaubend», schrieb die «Washington Post». Gleichzeitig äusserten im Netz viele Leute ihr Entsetzen.
Ginge das Cover in Ordnung, wäre «Der Spiegel» ein Satire-Magazin?
Ich lese das nicht als Satire. Die Symbolik und der Kontext ist nicht satirisch gedacht. Mit dem tropfenden Blut geht das zwar fast schon in Richtung Slapstick, aber da frage ich mich, ob das angebracht ist.
Auch andere europäische Magazine wie «The Economist» und «Village» zeigen Trump als Politiker, der die US-amerikanischen Werte über den Haufen wirft. Was fällt Ihnen bei diesen Darstellungen auf?
Bei «The Economist» wird Trump mit einer Schablone gesprayt gezeigt, er wirft einen Molotow-Cocktail. Es wird also eine Graffiti-Ästhetik zelebriert. Das finde ich interessant, aber nicht unbedingt gelungen. Denn: Wieso muss Streetart die Rolle des Rebellischen einnehmen?
Und was sagen Sie zu der Titelseite des irischen Kultur- und Politmagazins «Village»?
Trump wird hier fotografisch gezeigt. Über sein Gesicht legt sich ein Fadenkreuz. Es geht hier um den Tyrannenmord, unten wird getitelt «Why not». Das ist mir zu extrem. Man bedient sich Typologien des Krieges, das empfinde ich als sehr radikal und relativ undifferenziert. Eine Polemik, wie sie auch von Herrn Trump praktiziert wird..
Gibt es denn auch aktuelle gelungene Beispiele?
Die Titelseite von «The New Yorker» (s. Bildergalerie) ist mit Abstand mein Lieblingscover, geht es um die Darstellung der Thematik. Man blickt in die Nacht, die Fackel der Freiheitsstatue ist erloschen. Das ist ein sehr gelungenes Cover von John W. Tomac, weil man noch ein bisschen mitdenken muss. Es fordert den Leser heraus, um das Cover fertig zu denken.
Das Gespräch führte Tamara Funck.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Blick in die Feuilletons, 6.2.2017, 7:50 Uhr.