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Wirtschaft Lehrplan 21 bringt kantonale Lehrmittelverlage unter Druck

Bisher konnten sich die fünf kantonalen Lehrmittelverlage auf Marktvorteile verlassen, etwa Absatzgarantien auf Kantonsgebiet. Mit dem Lehrplan 21 fordert die Direktorin des grössten Privatverlags, Klett und Balmer, nun: Es müssten auch private Lehrmittel zugelassen werden.

Die Einführung des Lehrplans 21 erfordert Millionen-Investitionen in neue Lehrmittel. Denn in der Volksschule benötigen rund 800‘000 Schülerinnen und Schüler jährlich für diverse Fächer neuen Stoff. Da die Deutschschweizer Kantone just die nächsten drei Jahre Hunderte Millionen Franken in der Bildung sparen, sind Wettbewerb und Effizienz bei der Lehrmittel-Entwicklung unabdingbar. Doch die kantonalen Lehrmittelverlage haben deutlich bessere Marktbedingungen und behindern die private Konkurrenz.

Im 100-Milionen-Franken schweren Lehrmittelmarkt kämpfen fünf kantonale Lehrmittelverlage und ein Dutzend Private um das Wohlwollen der Kantone. Denn das Rennen machen jeweils die Lehrmittel, die von den Kantonen obligatorisch erklärt werden – und die die Schulen dann kaufen müssen.

«Envol»-Nachfolger wird obligatorisch

Wie ungleich die Spiesse sind, zeigt sich im Fach Französisch: Unter den Lehrmitteln, die für den neuen Lehrplan angepasst werden müssen, befindet sich das von 15 Kantonen benutzte Französisch-Lehrmittel «Envol». Der Zürcher Lehrmittelverlag, der den Kassenschlager «Envol» vor 15 Jahren auf den Markt brachte, entwickelt derzeit mit dem St. Galler Lehrmittelverlag das Nachfolgewerk «Dis donc!».

Die Entwicklungskosten pro Jahrgangsband betragen 1,8 Millionen Franken. Bereits steht fest, dass «Dis donc!» in Zürich und St. Gallen obligatorisch wird – das heisst, de facto eine Absatzgarantie hat.

Klett und Balmer entwickelt auf Risiko

Das ist für Klett und Balmer, den grössten privaten Schweizer Lehrmittelverlag, ein Ärgernis. Die Direktorin von Klett und Balmer Irene Schüpfer sagt: «Wir haben in Zürich keine Chance, in St. Gallen auch nicht.» Trotzdem entwickle Klett eigenes Lehrwerk für Französisch als zweite Fremdsprache – namens «Ça bouge».

Lehrmittel von Klett und Balmer.
Legende: Für 1 Million Franken entwickelt der private Verlag Klett und Balmer ein eigenes Französisch-Lehrmittel – auf Risiko. SRF

Klett investiert dafür 1 Million Franken pro Band auf eigenes Risiko. Schüpfer hofft, dass andere Kantone auf ihr Französisch-Lehrmittel setzen. Doch damit überhaupt ein Wettbewerb möglich sei, sollten die Kantone mindestens zwei Lehrmittel empfehlen, fordert sie. Das ist aber vor allem in Kantonen mit eigenen Lehrmittelverlagen nicht der Fall. Marktbehinderung erlebt Klett auch in der Testphase; einige Kantone hinderten Klett daran, sein Lehrmittel in den Schulen zu testen.

«Kosten stehen an letzter Stelle»

Die Leiter der Lehrmittelverlage Zürich und St. Gallen, die den Kantonen gehören, weisen die Kritik der Marktabschottung zurück. Verantwortlich für die Auswahl seien nicht sie. «Gemäss dem Volksschulgesetz regeln im Kanton Zürich der Bildungsrat, respektive der Erziehungsrat die Verwendung der Lehrmittel im Unterricht», schreibt Beat Schaller, Direktor des Lehrmittelverlags Zürich.

Irene Schüpfer
Legende: Der Lehrplan 21 sollte ihrem Verlag bessere Chancen verleihen, meint Klett-Chefin Irene Schüpfer. SRF

Der Kanton Luzern produziert keine eigenen Lehrmittel. Derzeit sind Klett-Lehrmittel für die Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik obligatorisch. Die Kosten stünden an letzter Stelle, wenn es um die Auswahl gehe, sagt kantonale Beauftragte für Lehrmittel, Ruedi Püntener. Im Vordergrund stünden pädagogische Qualitätskriterien. «Entscheidend ist auch die Akzeptanz bei den Lehrpersonen», erklärt Püntener.

Durch den neuen Lehrplan, der in allen 21 Deutschschweizer Kantonen gelte, entsteht laut Klett-Chefin Irene Schüpfer eine neue Situation: «Entspricht ein neues Lehrmittel dem Lehrplan 21, gibt es für die Kantone keinen Grund mehr, es nicht zuzulassen.»

Offenbar verspricht sich Schüpfer durch den Lehrplan 21 deutlich mehr Wettbewerb. Denn sonst würde der Verlag nicht nochmals das Risiko eingehen, ein neues Französisch-Lehrmittel herzustellen. Klett hatte vor 15 Jahren bereits ein Französisch-Lehrmittel produziert – doch kein Kanton wollte es. Die Folge war ein Millionen-Abschreiber.

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