Gerade nach einer längeren Beziehung kann es einem schwerfallen, wieder zu daten. Muss man das überhaupt? Wie geht man am besten vor? Coach Amel Rizvanovic gibt Tipps.
Amel Rizvanovic
Coach
SRF: Jetzt mal einfach gefragt: Kann man Daten verlernen?
Amel Rizvanovic: Nein. Man kann aber natürlich ein wenig aus der Übung geraten.
Trotzdem wirken viele verunsichert, wenn es darum geht, nach längerer Zeit wieder mit dem Dating anzufangen.
Diese Verunsicherung ist völlig normal. Gedanken wie «Ich kann das nicht» oder «Ich weiss gar nicht mehr, wie das geht» gehören dazu. Die gute Nachricht: Dem kann abgeholfen werden.
Wie?
Bevor man sich darüber Gedanken macht, wie, wo und über welche Plattform man datet, sollte man sich fragen: Was will ich überhaupt? Denn an der Stelle möchte ich betonen, dass auch das Singledasein unbedingt entstigmatisiert werden muss.
Das Singlesein muss entstigmatisiert werden.
Es wird oft vermittelt, dass man in einer Beziehung sein muss, um glücklich zu sein. Man soll sich aber bewusst werden, was man will – auch von einem potenziellen Partner oder Partnerin. Was ist in der letzten Beziehung gut gelaufen? Wichtig ist aber auch, dass ich mein eigenes Handeln und meine Rolle in der letzten Beziehung hinterfrage.
Wie meinen Sie das?
Wenn wir in einer Beziehung schlechte Erfahrungen gemacht haben, kann man sich fragen: Welchen Anteil hatte ich daran, dass diese Dynamik entstanden ist? Was möchte ich daran verändern und beim nächsten Mal anders machen? Das kann unangenehm sein und macht man bei sich selber nicht immer gerne, ist aber wichtig – aber nicht im Sinne von Selbstoptimierung à la höher, schneller, weiter! Dabei kann einem zum Beispiel ein Coaching helfen, oder es gibt auch Bücher und Podcasts zum Thema.
Angenommen, man hat sich damit auseinandergesetzt. Man weiss, was man möchte und was nicht und ist bereit für die Suche nach einem neuen Partner oder einer Partnerin. Wie geht man das an?
Auch hier ist es wichtig, sich Zeit zu lassen. Das fällt vielen nicht einfach, weil auch das eigene Umfeld dabei mitunter keine grosse Hilfe ist: Sie meinen es zwar gut, drängen und üben aus unreflektierten Motiven heraus Druck aus. Darum unbedingt versuchen, eine gewisse Ruhe bewahren und einfach mal in eigenem Tempo ausprobieren.
Was heisst das konkret?
Zum Beispiel, indem ich eine – oder gegebenenfalls auch ein paar – verschiedene Dating-Apps ausprobiere, die mich ansprechen. Um dann – Schritt für Schritt – zu schauen, was für mich passt und was eher weniger. Man merkt in der Regel recht schnell, womit man sich wohlfühlt und was stimmig ist.
Sie sprechen Dating-Apps an: Findet man heutzutage seinen potenziellen Partner oder Partnerin im Internet?
Nicht nur. Doch viele meiner Klientinnen und Klienten oder auch Leute aus meinem Umfeld, insbesondere der Jüngeren, haben sich über Online-Plattformen kennengelernt. Die Dating-Kultur hat sich im Verlaufe der Zeit stetig verändert, doch in den letzten zehn Jahren war es besonders extrem. Es scheint dabei einen Trend zu geben, dass einige heute nicht mehr bereit sind, sich einschränken zu lassen.
Commitment und «feste» Bindung werden von manchen aus den jüngeren Generationen als Bedürftigkeit interpretiert – und deshalb versuchen sie unter allen Umständen, das zu vermeiden. Stattdessen soll immer alles möglich sein. Vielleicht trägt das zu einer gewissen Rast- und Achtlosigkeit bei, mit der viele durch den Dating-Alltag galoppieren, was okay ist, wenn man das will – und es auch für das Gegenüber stimmt. Wenn man aber jemanden wirklich kennenlernen will, braucht das Zeit.
Das Gespräch führte Giulia Lötscher.
