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Mundart: Datingsprache früher und heute
Aus Dini Mundart vom 04.02.2022.
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Datingsprache früher und heute Vorsicht mit der Gemüsewahl auf Tinder!

Wer auf einer Dating-App eine Aubergine postet, sollte genau wissen, was er oder sie tut. Auch klassische Kontaktanzeigen sind verschlüsselt – oder was genau ist «eine Frau mit Herzensbildung»? Wir knacken alte und neue Inserate-Codes bei der Partnersuche!

Am 8. Juli 1738 erschien in den Frankfurter Frag- und Anzeigen-Nachrichten das vermutlich erste deutschsprachige Heiratsinserat: «Ein honettes Frauenzimmer ledigen Standes, guter Gestalt, sucht ... einen guten Doctor oder Advocaten ledigen Standes ..., so gross und wohl aussieht.»

Was heisst «honett» in einer Annonce?

Die Frau sieht sich also als hübsch, ledig und vor allem ehrenwert («honett»), was in diesem Kontext vielleicht «jungfräulich» meint. Sie sucht einen Akademiker. Sozialer Stand und Vermögen sind entscheidend in diesen frühen Heiratsannoncen – oft wird das exakte Vermögen angegeben.

Auf uns Heutige wirkt das bizarr. Zu unrecht! Noch in den frühen 70er Jahren beschreibt sich ein «28-jähriger Elektro-Ing. HTL (ledig)» in den Schaffhauser Nachrichten so: «Er hat eine moderne Lebensauffassung, ist ein aufgeschlossener Gesprächspartner, ... finanziell sehr gut stehend. Seine Hobbies sind Skifahren, Schwimmen, Fussball, Tanzen, Reisen.»

«Finanziell sehr gut stehend» ist noch immer wichtig!

Ansonsten spürt man die Aufbruchsstimmung der 68er-Jahre: «moderne Lebensauffassung» mag bedeuten, dass Sex vor der Ehe kein Tabu ist, ein «aufgeschlossener Gesprächspartner» ist kein Patriarch. Die potentielle Partnerin hat also einigen Interpretationsraum – auch, was seine Vorstellungen von ihr angeht.

Denn er sucht «die Frau mit Herzensbildung». Heisst das verschlüsselt «suche Dummerchen», «will kein ‘Räf’» oder, wie der Duden «Herzensbildung» definiert, jemanden in «Besitz einer reichen und differenzierten Gefühls- und Empfindungsfähigkeit»? Es bleibt sein Geheimnis.

Tinderprofil
Legende: Die tindererprobte SRF-Kollegin Nadia Zollinger hat als Anschauungsbeispiel ein realistisches, aber fiktives Profil erstellt. SRF

Seit den 1970er-Jahren ist bei der öffentlichen Partnersuche nichts geblieben, wie es war! Die klassische Kontaktanzeige war auf eine Langzeitbeziehung ausgerichtet. Heute kann man auch einen Partner oder eine Partnerin für die Freizeitgestaltung suchen oder ganz direkt einen ONS (One Night Stand).

Tausend Möglichkeiten der Selbstdarstellung

Von den unzähligen Dating-Apps ist Tinder die bekannteste. Mit den Möglichkeiten, die man hier hat, um einen geeigneten Partner zu finden, haben sich auch die Codes und potentiellen Peinlichkeitsfallen vervielfacht.

Achtung Aubergine!

Emojis geben effizient und platzsparend Auskunft über Hobbies, Herkunft und Interessen (siehe Beispiel). Falls da eine Aubergine auftaucht, gibt sich allerdings weder eine Vegetarierin noch ein Hobbygärtner zu erkennen. Die Aubergine steht für den Phallus, der Pfirsich für das Hinterteil. Drum eben: Vorsicht bei der Obst- und Gemüsewahl in Dating-Apps!

Moderne Datingsprache gibt sich locker und direkt

Nicht nur die Welt der Bilder und Emojis ist neu. Auch die Sprache hat sich radikal gewandelt. Heute gibt man sich ungezwungen, schreibt Mundart, selbstverständlich in der Ich-Perspektive und versucht, mit Humor und Individualität herauszuragen.

Vor allem ist man sehr direkt: «Vögle gits nid nach ei, zwöi Dates». Auch das ist aber nicht neu, wie aus einer englischen Annonce um 1800 hervorgeht: «Five Feet Four Inches without her shoes; not fat, not too lean; a clear Skin; sweet Breath, with good Set of Teeth» («163cm gross ohne Schuhe, nicht dick, nicht zu mager, helle Haut, süsser Atem, mit guten Zähnen»).

Trotz moderner Direktheit und Lockerheit: Ohne Kenntnisse des Spiels und der Codes macht man sich blitzschnell lächerlich. Nicht alles ist also leichter geworden!

Was gehört Ihrer Meinung nach in eine Kontaktanzeige? Was auf keinen Fall? Schreiben Sie es in die Kommentare!

Radio SRF 1, Mundartrubrik, 7.2.2022, 9.40 Uhr

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