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Digital Bezahlen mit dem Handy: Einfach eine komplizierte Geschichte

Diese Geschichte hätte so einfach sein können und begann mit der einfachen Frage, ob das Handybezahlsystem Twint funktioniert – oder nicht. Wir haben den Test gemacht und waren euphorisch. Aber nicht für immer. Am Schluss wussten wir nicht mehr genau, ob wir das alles gut finden sollten oder nicht.

Am Anfang dieser Geschichte steht ein klarer Fall: Bezahlen mit dem Handy, digital, das ist praktisch, das will ich, sofort. Darauf warte ich schon lange.

Endlich weg mit Münzen und Portemonnaie, mein Smartphone habe ich schliesslich immer mit dabei. Zwei Anbieter sind am Start, Paymit und Twint. Ersterer ist stolz darauf, dass seine App bis heute 170'000 Benutzer heruntergeladen haben, Letzterer ist schon physisch präsent – an den Coop-Kassen. Dort will ich Twint testen. Also gehe ich einkaufen.

Das geht nicht ohne Vorbereitung, aber das ist schnell erledigt: Twint-App herunterladen, Guthaben aufladen, in dem ich mein Postkonto verknüpfe. Kein Postkonto? Kein Problem! Einfach Geld überweisen an Twint – oder – eher umständlich – einen Aufladecode kaufen, zum Beispiel am Postschalter.

Euphorie

Beacon

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Ein Beacon (engl. «Leuchtfeuer») ist ein Bluetooth-Sender, der via Zahlungsanbieter mit der Kasse eines Geschäfts verbunden ist und permanent «ruft»: «Hier bin ich! Ich habe einen offenen Betrag von 1.50». Hat ein Smartphone in der Nähe diesen Betrag offen, also der Kunde, kann das Gerät den geschuldeten Betrag bezahlen, quasi im Vorbeigehen.

Dann ab zum ersten Coop.

Ware aufs Band, «Macht 1,30!»

Ich überwinde mich und raune der Kassierin zu: «Kann ich mit Twint bezahlen?»

«Ja klar, gerne!»

Hinter mir warten drei Personen. Mir wird's peinlich, da ich befürchte, dass ich alle ewig aufhalten werde mit meiner Handy-Bezahlerei.

Ich starte die Twint-App, die Kassierin drückt eine Taste, ich halte mein Handy an den grün leuchtenden «Twint-Beacon» (siehe Kasten rechts) an der Plexiglas-Scheibe der Kasse, «Willkommen bei Coop ... bitte warten ... Kasse muss Zahlung bestätigen», fertig.

Es funktioniert! Dauer der Transaktion: 20 Sekunden. Das ist total in Ordnung!

Noch mehr Euphorie

Weiter zur nächsten Filiale.

Ware aufs Band. «11,90, bitte!»

Ich erkäre mit fester Stimme: «Ich bezahle mit Twint!»

«Okay.»

Ich starte die Twint-App, der Kassier murmelt: «Twint, Moment welches war gleich die Taste» – er findet sie, drückt sie, ich halte mein Handy an den grün leuchtenden «Twint-Beacon» an der Plexiglas-Scheibe der Kasse. «Willkommen bei Coop ... bitte warten ... Kasse muss Zahlung bestätigen.» Fertig.

Es funktioniert! Dauer der Transaktion: 30 Sekunden. Fair enough, Twint gibt's ja noch kein Jahr und das Personal an den Kassen hat noch wenig Erfahrung damit.

Maximale Euphorie

Gleich noch ein Versuch beim dritten Coop.

Ware aufs Band.

Das Bild zeigt den Bezahlvorgang mit Twint, 11 Sekunden Warten auf Bestätigung der Zahlung.
Legende: Rekord: Bei unserem Test dauerte eine Bezahlung mit Twint nur 11 Sekunden - aber nur ein einziges Mal. Screenshots

Ich halte mein Handy entspannt an den grün leuchtenden «Twint-Beacon» an der Plexiglas-Scheibe der Kasse, noch während die Kassierin meine Waren scannt.

«6.40».

Ich werfe einen demonstrativen Blick auf mein Handy, die Kassierin checkt und drückt den Knopf, «Willkommen bei Coop ... bitte warten ... Kasse muss Zahlung bestätigen.», fertig.

Es funktioniert wieder! Dauer der Transaktion: 11 Sekunden. Geschwindigkeitsrekord!

Bei mir macht sich Euphorie breit: Bezahlen mit dem Handy ist einfach und cool!

Ernüchterung

Bei meinem vierten Versuch erlebe ich dann aber einen Dämpfer: Die Coop-Filiale ist im Untergeschoss – kein Handynetz. Twint verzagt deswegen zwar nicht, verlangt bei Offline-Transaktionen aber jedes Mal die Eingabe meines Pin-Codes – nicht erst ab einer Einkaufssumme von über 100 Franken. Es dauert rund 50 Sekunden, bis ich bezahlt habe.

Der nächste Versuch dauert noch länger: Die Kassiererin muss zuerst ihre Kollegin fragen, wie die Bezahlung mit Twint funktioniert, schafft es danach aber dennoch nicht, den Vorgang abzuschliessen. Nach knapp 90 Sekunden gibt sie auf.

Nur Bezahlen reicht nicht

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Um uns zum Bezahlen mit dem Handy zu verführen, erhält Twint immer mehr kleine digitale Marketing-Häppchen. Die App wird bald Rabatt-Coupons und digitale Stempelkarten («jede 11. Pizza ist gratis») integriert haben. Und im Sommer startet ein Versuch mit einem Restaurant-Bezahlsystem, das ohne Kellner auskommt.

Zum ersten Mal Zweifel: «Wieso nehme ich nicht einfach meine Bankkarte und bezahle damit in weniger als zehn Sekunden?»

Meine Antwort: «Weil digital cooler ist!»

Aber warum geht Postfinance mit Twint eigentlich das Risiko ein, die Umsätze mit der eigenen Bankkarte (Postcard) zu kannibaliseren? Irgendwie ist das doch absurd.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Schuld am Twint-Aktionismus von Postfinance sind Apple, Paypal und Google. Alle drei sind überzeugt, dass wir in wenigen Jahren nur noch mit dem Handy bezahlen werden. Deshalb wollen sie auch in der Schweiz mit ihren eigenen Bezahlsystemen Fuss fassen. Damit das nicht geschieht, gibt Postfinance mit Twint Gas und fürs Marketing Millionen aus – und wir haben nun in erster Linie bei den Grossverteilern eine zusätzliche Variante, wie wir bezahlen können.

Neben Apple, Paypal und Google kommt auch Druck aus dem eigenen Land: Noch in diesem Jahr will auch Paymit bei den Grossverteilern präsent sein. Paymit ist die App der grossen Banken und des Zahlungsdienstleisters Six. Die App wird so funktionieren, dass ich beim Terminal nicht meine Bank- oder Kreditkarte eine Sekunde hinhalte, um zu bezahlen, sondern mit meinem Handy einen QR-Code abfotografieren muss, der auf der Anzeige des Kartenterminals erscheint. Mit dem Foto bezahle ich dann meinen Einkauf. Geht's noch komplizierter?

Nichts ist mehr klar

Am Anfang dieser Geschichte stand ein klarer Fall: Bezahlen mit dem Handy, digital, das ist praktisch, das will ich, sofort. Darauf warte ich schon lange.

Am Ende der Geschichte ist mir nicht mehr klar, ob ich wirklich mit dem Handy bezahlen will. Irgendwie nach wie vor, ja, vielleicht, wenn das Versprechen im Video unten wahr würde.

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