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Rehmann «Ich wollte nicht sterben, konnte so aber auch nicht weiterleben»

Severin ist trans Mann. Er identifiziert sich nicht mit dem Geschlecht, welches ihm bei der Geburt zugewiesen wurde. Es war ein langer, schwerer Weg, bis er endlich sich selbst sein konnte. Davon erzählt er im Gespräch mit Robin Rehmann.

Bis 2012 ist das Leben von Severin unbeschwert. Er geniesst eine schöne Kindheit, hat eine tolle Familie und ein gutes Umfeld. Dann wird er 12 Jahre alt. Die Pubertät und die ersten hormonellen Entwicklungen beginnen. «Es war ein Schock», erinnert sich Severin.

Ich merkte: Jetzt läuft etwas in die falsche Richtung.

Was genau das Problem ist, weiss er zu dieser Zeit noch nicht. «Ich wusste nur: So wie es jetzt ist, ist es nicht gut», sagt der mittlerweile 23-Jährige. Seine Eltern erlauben ihm immer so zu sein, wie er ist. Deshalb denkt er als Kind nicht weiter über seine Geschlechtsidentität nach und nimmt sich weder bewusst als Mädchen noch als Junge wahr.

Symptom- anstatt Ursachenbekämpfung

Dann kommt die Magersucht. «Ich war immer etwas pummelig und dachte mir eines Tages: Jetzt zieh ich es einmal durch mit der Diät und dann ist es gut.»

Severin, eine sehr zielstrebige Person, nimmt ab diesem Zeitpunkt tatsächlich an Körpergewicht ab und merkt: Damit lässt sich auch die weibliche Pubertät stoppen. «Das war für mich ein praktischer Nebeneffekt und gleichzeitig ein Ansporn, diese negative Spirale aufrechtzuerhalten.»

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Was zu Beginn noch in Ordnung scheint, läuft Ende 2012 aus dem Ruder. Severin wird in ein Kinderspital eingeliefert. Erste Priorität: die Behandlung der Magersucht. Heute sagt er: Die stationäre Behandlung sei viel zu früh erfolgt. Es seien Symptome anstatt Ursachen bekämpft worden. Nach zwei Monaten stationärer Therapie, folgt endlich die erlösende Frage einer Pflegerin: «Möchtest du lieber ein Junge sein?»

Sofort bejaht er die Frage. «In diesem Moment verspürte ich eine riesige Erleichterung. Endlich wurde mir klar, was mein Problem war. Alles ergab einen Sinn», erinnert sich Severin. Doch die anfängliche Erleichterung trügt.

Obwohl er nach diesem, für ihn grossen Moment, sogar mit seinen Eltern darüber spricht, wird er kurz danach von niemandem mehr darauf angesprochen. «Das Thema ging vergessen oder wurde verschwiegen. So sehr, dass ich mit der Zeit selbst anfing, es anzuzweifeln und zu ignorieren.»

Die Magersucht ist ein Full-Time-Job.

Für Severin eine fatale Entwicklung: «Ich versuchte verzweifelt, ein Mädchen zu sein.» Immer tiefer rutscht er in die Magersucht. Im nächsten Klinikaufenthalt steht erneut nur die Magersucht im Fokus. «Auch für mich gab es zu diesem Zeitpunkt nur die Essstörung. Sie diente quasi als Ablenkung für das andere Problem.» Severin weiss: Er will nicht sterben, aber so kann er auch nicht weiterleben.

In der schlimmsten Zeit verweigert er jegliche Nahrung und Flüssigkeit. Ein Hilfeschrei, wie er im Nachhinein feststellt. Ihm geht es so schlecht, dass er fünf Wochen lang zwangsernährt werden muss. «Nach fünf Wochen kam ich zur Einsicht, dass man mich nicht sterben lässt und ich dem Klinikpersonal folgen muss», erzählt Severin. Dafür ist er heute sehr dankbar.

Der lange Weg der Geschlechtsangleichung

Severin beginnt eine Therapie und schafft es dort, das Thema Transidentität erneut anzusprechen. Seine Therapeutin reagiert sehr gut, hinterfragt ihn nicht und organisiert sofort einen Termin bei einer Spezialistin. Schritt für Schritt beginnt sein Weg der Geschlechtsangleichung. «Zu Beginn wusste ich noch gar nicht, ob ich den ganzen Weg gehen möchte», so Severin. «Doch sobald der eine Schritt getan war, wollte ich den nächsten gehen.»

Zunächst verlaufen alle Eingriffe gut. 2019 soll dann die Hysterektomie durchgeführt werden, die Entfernung der Gebärmutter und Vagina. Bei der Operation wird ein Nerv verletzt. Die Folge: Severins Blase kann nicht mehr genügend versorgt werden und er kann sie nicht mehr selbstständig entleeren.

S.O.S. – Sick of Silence

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Wie sieht das Leben junger Menschen aus, nachdem es durch eine chronische Krankheit ausgebremst wurde? Robin Rehmann leidet selbst an einer chronischen Krankheit und unterhält sich in seiner Sendung mit Betroffenen.

Jeden Dienstag, 18-19 Uhr bei SRF Virus oder hier als Podcast.

Zwei Monate lang muss er fünfmal am Tag einen Katheter anbringen. Etliche Blasenentzündungen vermindern seine Lebensqualität. «Ich ass Antibiotika wie Smarties.» Nach anderthalb Jahren erhält er einen Blasenschrittmacher: «Diesen habe ich nun seit drei Wochen und es wird endlich besser!»

Hinter Severin liegt ein langer Weg mit vielen Hindernissen. «Heute sieht man mir meine Transidentität nicht mehr an. Ich erzähle es auch nicht mehr sofort. Es spielt für mich keine Rolle mehr, denn ich bin wie ich bin», sagt er.

Ein Problem, darüber zu reden, hat er aber nicht, im Gegenteil: «Die Thematik sollte mehr angesprochen werden, denn für Betroffene kann es eine riesige Erleichterung sein.» Zwei Dinge gilt es jedoch zu vermeiden: «Man soll die Person nicht in Watte packen und nicht nach dem alten Namen fragen», betont Severin.

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