Ihre Gesichter sind gezeichnet, ihre Körper verbraucht, viele kämpfen mit chronischen Krankheiten: Die Männer und Frauen, die meist seit Jahrzehnten Drogen konsumieren, haben in der 'Harmonie' ein Daheim gefunden. Kathrin Winzenried über ihren Besuch in einem Altersheim für Ex-Junkies im Baselbiet.
Kathrin Winzenried arbeitet seit 2001 als Redaktorin und Moderatorin für «DOK» und «Kassensturz».
Beinahe hätten wir es nicht gefunden, dieses Heim für Langzeitsüchtige in Langenbruck, das es nun schon seit bald zehn Jahren gibt. Wir halten Ausschau nach einem Heimgebäude und landen vor einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus.
Kein Heim, sondern ein Daheim
Das sei Konzept des Hauses, erklären uns später die Leiter der 'Harmonie', Silvia Aerni und Jürg Lützelschwab. «Wir bieten unseren Bewohnern kein Heim, sondern ein Daheim», sagen sie. Mit allen Annehmlichkeiten, Regeln und Pflichten. Wer sich nicht daran halte, müsse gehen.
Doch es gehen die wenigsten. Und das, obwohl Roger, Peter, Susanne, Stefan und wie sie alle heissen schon viele Therapiestationen durchlaufen haben und diese oft wieder verlassen mussten.
Traum vom eigenständigen Leben
«In der 'Harmonie' bin ich angekommen», erzählt uns Peter. Ausgerechnet er, der seinem Leben vor ein paar Jahren, kurz vor seinem Eintritt ins Haus, ein Ende setzen wollte. Peter schöpft hier neue Hoffnung. Mit 52 Jahren und einer über 30-jährigen Drogenkarriere träumt er von einem Leben ausserhalb des Heimes.
«In den eigenen vier Wänden wohnen, das ist mein Ziel», sagt er. Die Betreuer unterstützen ihn dabei. Ob es gelingt, ist ungewiss. Auch die Beziehung mit seinem inzwischen erwachsenen Sohn möchte er nach Jahren endlich wieder anpacken. «Ich war ein Egoist und habe so vieles falsch gemacht», sagt Peter nachdenklich.
So sehr er sich ein Zusammentreffen wünscht, so sehr hat er Verständnis für die Vorbehalte seines Sohnes ihm gegenüber. «Man muss da behutsam vorgehen», meint Silvia Aerni vom Leitungsteam. Aber es sei bei ihnen immer dasselbe: Es seien die kleinen Fortschritte, die zählen.
Keine Abstinenz, keinen Druck, aber klare Grenzen
«Obwohl wir dafür eingerichtet sind, dass die Leute auch hier sterben können, geht es den meisten nach ein paar Monaten wieder besser», sagt Jürg Lützelschwab. Lange habe er mit sich gerungen, ob ihre Institution nicht auch einfach Teil einer Sozialindustrie sei, die auf Kosten der Junkies lebe.
Wenn er aber sehe, welche Fortschritte die Leute hier machen, glaube er an das Konzept: Keine rein abstinenzorientierte Therapie und keinen Druck, dafür aber klare Grenzen.
Und wir waren uns nach zwei intensiven Drehtagen einig: Die Geschichten von Roger, Peter, Susanne, Stefan, könnten Silvia Aerni und Jürg Lützelschwab recht geben.
Platzspitz und Bahnhof Letten Anfang der 90er Jahre.
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