Zum Inhalt springen

Gesundheit Gaunerei mit Milbenmittel: Geschäft mit der Angst

Aggressive Telefonverkäufer drehen verunsicherten Kunden ein überteuertes Mittel an, das angeblich Milben in Matratzen bekämpfen soll. Sie schrecken nicht davor zurück, Lügen aufzutischen. «Kassensturz» lässt das empfohlene Produkt prüfen und sagt, was Experten von den Milbenmitteln halten.

Mehr zum Thema

Eines Tages erhält Ursula Kipfer einen Anruf von einem Callcenter. Die Verkäuferin spricht von gefährlichen Milben in der Matratze. Und sie will ihr einen Spray andrehen, der Milben und Larven vernichtet. Ursula Kipfer ist skeptisch. Trotzdem schickt ihr die Firma den Mat-o-clean-Spray und eine saftige Rechnung dazu: Spray inklusiv Porto kosten 117 Franken. Doch Ursula Kipfer lässt sich nicht beirren: «Ich habe nichts bestellt und ich bezahle nicht. Wenn sie es zurückhaben wollen, dann können sie es abholen. Man darf sich nicht einschüchtern lassen.» Der Spray sei für Kliniken und Spitäler entwickelt worden, behauptet die Firma unbescheiden. Und sie verschickt dreist Mahnungen: Ursula Kipfer soll 319.45 Franken bezahlen.

Harmlose Spinnentierchen

Auch Karin Johnsen erhält einen Anruf von einem Callcenter – von Phonline aus Thun. Auch ihr will ein Verkäufer einen Milbenspray verkaufen: gleiche Masche, gleiches Produkt. Der Verkäufer behauptet sogar, der angeblich biologisch abbaubare Milbenspray werde auch am Berner Inselspital eingesetzt. In der Bettenzentrale im Inselspital reinigen Profis pro Tag rund 100 Betten. Das Spital hat ein neues Reinigungssystem. Ein Chip an der Matratze gibt Auskunft, wie lange das Bett belegt war und wie ausführlich es gereinigt werden muss. Nach jedem Aufenthalt waschen die Mitarbeiter die Matratzen ab. Einmal im Jahr wird der Bezug bei 95 Grad gewaschen und die Matratzen im Autoklav bei 100 Grad sterilisiert.

Immer wieder erkundigen sich Konsumenten nach dem Mat-o-clean-Milbenspray, der angeblich in Spitälern verwendet werde. «Ich finde das gelinde gesagt unverschämt», sagt Inge Dossenbach, Leiterin der Bettenzentrale im Inselspital. An sie sei keine solche Firma herangetreten. Dossenbach: «Und ich habe nicht im Sinn, so etwas einzusetzen.»

Allergien auf Milben sind selten, das weiss Christiane Pichler, Allergologin am Inselspital. Sie testet in der Poliklinik jeden Tag Patienten auf Allergien. Doch Milben sind weder gefährlich noch ein Grund zur Panik. «Es sind an sich harmlose kleine Spinnentierchen, die in jedem Haushalt vorkommen.» Sie seien kein Zeichen für Schmutz oder mangelnde Sauberkeit. «95 Prozent aller Schweizer vertragen die Milben und realisieren gar nicht, dass sie Milben im Hausstaub haben», sagt Pichler.

Bloss konservierte Seife

«Kassensturz» zeigt ihr den Mat-o-clean-Milbenspray. Auf der Homepage der Verkaufsfirma wird Panik verbreitet: Es heisst in der Matratze lebten Millionen von ungebetenen, gefährlichen Gästen. Die Oberärztin rät vom Gebrauch solcher Sprays ab. Sie sind wirkungslos. Die Lösung enthalte «nicht-ionische Tenside». Pichler: «Das ist nichts weiter als Seifenlösung mit etwas Konservierungsmittel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich nützt.» Eine Seife säubere nur dann gut, wenn alles mit Wasser weg gespült werde. Mit dem Mat-o-clean-Milbenspray werde alles nur getrocknet. Pichler: «Die Milben sind nach wie vor in der Matratze vorhanden. Und die Patienten mit Allergien werden weiterhin Beschwerden haben.»

Wer verkauft ein offensichtlich nutzloses Produkt? Roland de Vallier ist Geschäftsführer von rund 20 Firmen. Die Einträge im Handelsregister zeigen das. «Kassensturz» weiss: Die meisten Firmen haben etwas mit dem Mat-o-clean-Spray zu tun – Callcenters in der ganzen Schweiz, auch Phonline in Thun, das mit falschen Versprechungen wirbt. Und die Firma Confomed in Winterthur, welche die Rechnungen für den Spray stellt. Roland de Vallier ist «Kassensturz» bekannt: Vor vier Jahren verkaufte er älteren Patienten ein Rheumagerät für 5000 Franken. Gleiche Masche, teures Gerät, völlig nutzlos. Vor der Kamera wollte Roland de Vallier keine Stellung nehmen.

«Kassensturz» will Roland de Vallier erneut zu den fragwürdigen Verkaufsmethoden und nutzlosen Produkten interviewen und fährt zur Firma Confomed in Winterthur – auch dort ist Roland de Vallier Geschäftsführer. Doch auch dieses Mal wolle er nichts sagen, lässt ein Confomed-Mitarbeiter ausrichten.

Meistgelesene Artikel