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Rücksichtsloses Abholzen für unser WC-Papier: Der Umwelt-Report
Aus Kassensturz vom 03.10.2017.
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Umwelt-Report Kahlschlag im Urwald für unser WC-Papier

Holz für WC-Papier oder Taschentücher kommt oft aus Schweden. Für Marken wie Tempo, Plenty oder auch Eigenmarken der Grossverteiler rodet der Zellstoffkonzern SCA dort die letzten Naturwälder. Das betrifft selbst Produkte, die für nachhaltige Holzwirtschaft zertifiziert sind.

«Unternehmen wie SCA roden in Schweden besonders schützenswerte Wälder.» Diese Anklage stammt von Claudine Gubelmann-Largo von Greepeace. Diese schützenswerten Wälder befinden sich im Urwald des Nordens, der sogenannte boreale Waldgürtel, der vor allem aus Fichten, Kiefern, Tannen und Lärchen besteht.

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Die schwedische Regierung hat Anfang Jahr viele dieser Waldgebiete als «besonders schützenswert» eingestuft. Beträchtliche Flächen gehören der Firma SCA, einem der grössten Waldbesitzer Schwedens und einem Hauptlieferanten von Zellstoff für zahlreiche Hygienepapierprodukte in der Schweiz – wie Plenty, Tempo und diverse Eigenmarken von Detailhändlern.

Grosse Flächen abgeholzt

Das Problem: Die Behörden haben diese Areale gesetzlich noch nicht unter Schutz gestellt. Der Kahlschlag dieser Wälder bleibt also ungesühnt. Diese Lücke machen sich Firmen wie SCA zu Nutze, kritisiert Greenpeace: Seit 2012 hätten SCA und andere Forstunternehmen in Schweden bereits 23'000 Hektaren besonders schützenswerten Waldes gerodet. Greenpeace zeigt als Beleg Bilder von kahlgeschlagenen Lichtungen, die erst vor wenigen Monaten abgeholzt worden seien.

Borealer Wald als Klimaschutz

Das Abholzen der borealen Urwälder ist besonders problematisch, erklärt Harald Bugmann, Professor für Waldökologie der ETH Zürich: «Wenn man den Waldboden bewirtschaftet und Bäume rodet, wo diese nicht mehr nachwachsen, dann geht sehr viel Kohlenstoff in die Atmosphäre. Das hat einen Einfluss auf den Treibhauseffekt.»

Der Erhalt von zusammenhängenden Flächen des borealen Waldes sei auch für die Biodiversität wichtig: «Wenn man die kleinen Flächen von alten unberührten Wäldern eliminiert, dann bekommt man ein Problem beim Erhalt der Arten», sagt Harald Bugmann.

Kein Verlass auf FSC-Label

Die Kritik an den Rodungen lässt SCA kalt: Die Behörden würden die Bewirtschaftung nicht verbieten. Und: Dafür schone SCA andere Waldflächen.

Ein Einkauf bei Schweizer Grossverteilern zeigt: Die allermeisten Produkte mit Rohstoffen von SCA sind mit dem Label «FSC Mix» zertifiziert. FSC verspricht verantwortungsvolle Waldwirtschaft. Selbst dieses Label «FSC Mix» sei keine Garantie, sagt Claudine Gubelmann-Largo von Greenpeace.

In Schweden gewichte FSC Unternehmensinteressen stärker als die Ökologie: «Es ist davon auszugehen, dass auch Produkte mit einem FSC-Mix-Label Rohstoffe aus schützenswerten Wäldern enthalten.»

FSC Schweden schreibt dazu, die Rohstoffe stammten aus zertifizierten, kontrollierten Quellen, räumt aber ein: «Das Konzept der ‹besonders schützenswerten Wälder› der schwedischen Regierung spielt bei FSC keine Rolle.»

Tempo-Herstellerin rechtfertigt sich

Verschiedene Produkte aus Papier wie Taschentücher, Haushaltpapier etc.
Legende: Konsumenten können beim Papierkauf auf den Schutz der Natur achten. SRF

Was sagen die Produzenten und Detailhändler zur Kritik an ihrem Rohstoff? Viele der angefragten Detailhändler berufen sich auf das FSC-Mix-Label: FSC sei das Beste, das zur Verfügung stehe. Einige Detailhändler wollen beim Lieferanten beziehungsweise bei FSC aber trotzdem nachhaken und Aufklärung verlangen.

Die Firma Essity stellt bekannte Marken wie Tempo, Plenty oder Tena her. Bis vor wenigen Monaten gehörte die Firma noch zum SCA-Konzern. Essity bestreitet nach wie vor, dass man Fasern aus Wäldern verwende, welche die schwedische Regierung als ‹besonders schützenswert› einstuft.

Kritik an Profit mit Urwald

Aber: Diese Wälder stünden nicht unter gesetzlichem Schutz. Deshalb sei die Bewirtschaftung ausdrücklich erlaubt. Und weiter: «Hundert Prozent der Fasern in Essity-Produkten sind kontrolliert und stammen aus verantwortlich bewirtschafteten Wäldern.»

Von verantwortlicher Waldbewirtschaftung hat ETH-Professor Harald Bugmann eine andere Vorstellung: «Wenn eine Firma schon sagt, dass sie auf Umweltanliegen Rücksicht nimmt – wie SCA oder Essity das tun – dann sollten sie solche alten Waldbestände nicht abholzen, um damit Profit zu machen, sondern sie sollten eine gewisse Zurückhaltung üben und andere Wälder nutzen.» Denn die schwedische Regierung könne nichts mehr unter Schutz stellen, wenn alles gerodet sei.

Alternative: Recycling-Papier

Für Konsumenten bleibt eine Alternative: Recyclingprodukte kaufen. Das hilft effektiv den Kahlschlag der Wälder zu vermindern. Und Recycling-Produkte gibt es mittlerweile in allen Komfortvariationen.

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