Zum Inhalt springen

Nitrite und Nitrate im Fleisch Zusatzstoffe in Wurst, Schinken und Co. erhöhen Krebsrisiko

Nitrit- und Nitrat-Zusätze machen Wurstwaren haltbar und schön rosa. Auf Kosten der Gesundheit, warnen Forschende.

Ob Cervelat, Beef Jerky, Pouletbrust-Aufschnitt oder Rollschinkli – vielen verarbeitete Fleischprodukten werden Nitrite und Nitrate beigefügt. Für die Industrie sind diese Zusatzstoffe praktisch: Sie dienen als Konservierungsmittel, wirken antibakteriell, beschleunigen die Verarbeitung des Fleischs, sorgen für eine ansprechende rosa Farbe und das gewohnte Pökelaroma.

Doch verarbeitete Fleischprodukte sind krebserregend – das belegen über 400 Studien weltweit. Und in der Schweiz wird viel zu viel davon gegessen: Empfohlen sind nicht mehr als 120 Gramm verarbeitetes Fleisch pro Woche. Im Durchschnitt essen Frauen in der Schweiz fast doppelt so viel und Männer mehr als dreimal so viel.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

Box aufklappen Box zuklappen

Zunehmende Hinweise: Nitrite spielen eine Rolle

In Toulouse erforscht ein interdisziplinäres Team am Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt seit Jahrzehnten die Mechanismen, wie Wurst und Co. das Krebsrisiko erhöhen können. «In Bezug auf die beteiligten Stoffe gibt es immer mehr Hinweise, dass Nitrite eine Rolle spielen», erklärt Forschungsleiter Fabrice Pierre. «Wer gepökeltes Fleisch isst, nimmt Nitrite und sogenanntes Häm-Eisen zu sich. Die Kombination dieser Stoffe führt zu toxischen Verbindungen, die auf den Darm einwirken und die Entstehung von Darmkrebs begünstigen.»

Wie sich der Fleischkonsum auf das Krebsrisiko auswirkt, hat auch eine gross angelegte Langzeitstudie in Frankreich untersucht. Dafür wurden die Essgewohnheiten und die Gesundheit von über 100'000 Menschen analysiert.

Wir stellten einen statistischen Zusammenhang zwischen Nitrit- und Nitratzusätzen und höherem Krebsrisiko fest.
Autor: Mathilde Touvier Studien-Leiterin

Die Forschenden fanden nach gut 6 Jahren über 3000 Krebsfälle und erkannten ein Muster: «Wir stellten einen statistischen Zusammenhang zwischen Nitrit- und Nitratzusätzen und höherem Krebsrisiko fest», sagt Mathilde Touvier, die Leiterin der Studie.

Gemüsepulver als Ersatz für Nitritpökelsalz – keine echte Lösung

Box aufklappen Box zuklappen

Manche Produkte, die mit dem Label «ohne Nitritzusatz» werben, enthalten stattdessen Pulver oder Saft aus nitratreichem Gemüse wie Sellerie oder Randen. Damit kann ebenfalls Pökelaroma und -farbe erzeugt werden. Auf diese Strategie setzt etwa das Öko-Label Demeter.

Doch das «natürliche» Nitrat ist laut dem Krebsexperten Fabrice Pierre keine Lösung: «Egal ob Pökelsalz zugegeben wird oder Nitrat aus Gemüsen – der Stoff Nitrat ist in beiden der gleiche. Dieser kann die gleichen schädlichen Reaktionen eingehen und ist darum ebenso problematisch.»

Es geht auch ohne!

Dabei braucht es für schmackhafte Wurstwaren gar keinen Nitrit-Zusatz. «Meine Pastete mit Taube, Entenbrust und gerösteten Nüssen hat bei der Weltmeisterschaft den 2. Platz gemacht – ohne Nitrit», erzählt Charcutier Romain Pellet aus Genf. Er verzichtet in seinen Pasteten, Schinken und Würsten auf Pökelsalz. Dafür sei sein Schinken eher blass und etwas weniger lange haltbar.

In Frankreich gibt es nitrit-freien Schinken auch im Supermarkt: Der französische Hersteller Fleury Michon hat eine «zéro nitrite»-Linie auf den Markt gebracht. Bei Schweizer Grossverteilern hingegen sucht man vergebens: Gepökelte Produkte wie Wienerli, Kochschinken oder Aufschnitt ohne Nitrite verkaufen Migros, Coop, Denner, Aldi, Lidl und Volg nicht.

So finden Sie Alternativen ohne Nitrit/Nitrat

Box aufklappen Box zuklappen
  • Bei einzelnen kleinen Metzgereibetrieben, oft solchen mit Bio- oder Demeter-Label, gibt es Würste ohne Nitrit zu kaufen.
  • Einzelne Produzenten stellen Rohschinken und Bündnerfleisch ohne Nitritzusatz her. Etwa für die Rohschinken aus Parma und San Daniele sind Nitrite und Nitrate verboten.
  • Die meisten Kalbs- und Schweinsbratwürste enthalten traditionellerweise keine Nitrate und Nitrite.

Bei Produkten mit der Knospe von Bio Suisse sind zudem weniger Nitrit- und Nitratzugaben erlaubt als bei konventionellen.

Ist Pökelsalz alternativlos?

Der Schweizer Fleischfachverband hält nichts vom Verzicht auf Nitrite und Nitrat. Er sieht das gesundheitliche Risiko durch verarbeitetes Fleisch und Nitrit- und Nitratzusätze nicht als erwiesen an. Und: Es gebe keine praktikable Alternative für die Industrie, um Produkte mit der gewünschten Farbe und dem typischen Pökelgeschmack herzustellen, die zudem auch genügend sicher seien.

Aus mikrobiologischer Sicht ist das Pökeln nicht zwingend.
Autor: Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen widerspricht: «Aus mikrobiologischer Sicht ist das Pökeln nicht zwingend. Durch gute Herstellungspraxis oder kürzere Haltbarkeit kann die Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden», schreiben die Experten auf Anfrage von «Kassensturz».

Kassensturz, 15.11.22, 21:05 Uhr

Meistgelesene Artikel