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Ein falscher Klick mit dem Smartphone und das Geld ist weg
Aus Kassensturz vom 12.11.2013.
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Multimedia Smartphone-Falle: Ein falscher Klick und das Geld ist weg

Auf dem Smartphone tauchen rätselhafte SMS auf – später folgt eine hohe Telefonrechnung. Viele Kunden tappen in eine perfide Abofalle. «Kassensturz» deckt auf: Sunrise und Swisscom kassieren mit – und schützen ihre Kunden viel zu wenig. Die neue Masche ist illegal, sagt die Ombudscom.

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Smartphone-Falle: Ein falscher Klick und das Geld ist weg
aus Espresso vom 12.11.2013. Bild: SRF
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Auf der -Redaktion von «Kassensturz» und «Espresso» häufen sich Klagen von Smartphone-Nutzern. Sie alle erzählen eine ähnliche Geschichte: Auf der Telefonrechung tauchen plötzlich teure SMS und rätselhafte Mehrwert-Dienst-Abonnements auf. Sie haben jedoch nichts bestellt und auch keinen Dienst abonniert. Doch ihr Telefonanbieter glaubt ihnen nicht und weist sie schnöde ab.

400 Franken für rätselhafte SMS

Beim Ehepaar Brigitte und Kurt Hersberger beispielsweise kamen die SMS, als sie beide ein neues Smartphone gekauft hatten. «Es war bei beiden immer die gleiche SMS von der Nummer 611. Wir haben sie jeweils sofort gelöscht, aber kaum hatten wir eine gelöscht, kam eine neue», erinnert sich Brigitte Hersberger. Ein Blick auf die Handyrechnungen zeigte, eine SMS kostete sie 5 Franken. Sunrise verrechnete dem Paar für diese SMS insgesamt 400 Franken.

Das Ehepaar reklamierte beim Sunrise-Kundendienst. Dort hiess es, dass beide anscheindend ein Flirt-Abo abgeschlossen hätten. Sunrise könne da leider nichts machen. «So etwas habe ich nie im Leben abgeschlossen», sagt Kurt Hersberger.

Auch Swisscom-Kunde Fritz Duttweiler bekam eine dubiose SMS. Darin stand, er hätte ein Spiel-Abonnement gelöst für knapp 3 Franken pro Woche. Für ihn ein Rätsel, er reklamierte bei der Swisscom. «Die Swisscom sagte, ich hätte mit meinem Handy ein Spiel runtergeladen und eine Bestätigung angeklickt», sagt Duttweiler. Aber das könne gar nicht sein.

Was steckt hinter den dubiosen SMS-Abonnements? «Kassensturz» macht sich auf Spurensuche und vergleicht über 50 Zuschauer-Zuschriften.

Ein Klick genügt oft und schon ist Geld weg

Der Verdacht: Beim Surfen mit dem Smartphone tappen viele in die Abo-Falle, ohne dass man den Kauf vorher mit einer SMS bestätigen muss oder mit der Eingabe einer Kreditkartennummer oder einer Telefonnummer.

«Kassensturz» probiert es selber aus, mit Handys von Swisscom, Sunrise und Orange. «Kassensturz» surft mit den Smartphones auf Klingelton-Seiten, spielt auf Apps, sucht in Google nach Rezepten oder schaut sich Handy-Filme an. Immer mal wieder gehen auf dem Bildschirm Werbefenster auf. Und tatsächlich: Sowohl mit dem Swisscom-Handy als auch mit dem Sunrise-Handy genügen ein oder zwei versehentliche Klicks und schon schnappt die Kostenfalle zu.

Der «Kassensturz»-Versuch zeigt klar: Einige aufpoppenden Werbe-Links sind perfid aufgebaut. Den Hinweis, dass das Angebot etwas kostet, findet man oft erst, wenn man auf der Seite runterscrollt. Und noch schlimmer: Manchmal reicht es, wenn man den Bildschirm bloss irgendwo berührt, und die teuren SMS kommen im Minutentakt.

WAP-Billing: So wird im Hintergrund die Nummer übermittelt

Möglich macht es eine Technologie, die im Hintergrund läuft: Ohne Bestätigungs-SMS oder sonstige Identifikation des Käufers kann die Telefonrechnung belastet werden. «Diese Zahlungsart nennt man WAP-Billing: Nach dem Klick auf die Seite wird im Hintergrund die Identifikationsnummer der SIM-Karte an den Anbieter übermittelt», erklärt Reto Widmer, SRF-Digitalredaktor. So könne der Handybenutzer identifiziert werden und eine Dienstleistung via Handyrechnung abgerechnet werden. «Das kann natürlich auch missbraucht werden», sagt Widmer.

Ombudscom: Angebote teilweise illegal

Tatsächlich sind die Seiten sind oft so gebaut, dass Kunden in die Falle tappen. Besonders stossend: Sunrise und Swisscom kassieren bei diesen SMS kräftig mit und treiben für die dubiosen Firmen das Geld ein. Doch die Telecom-Firmen sehen sich nur als Inkassostelle.

Bei Reklamationen verweisen Swisscom oder Sunrise ihre Kunden konsequent an die Dritt-Anbieter der Mehrwertdienste. Die Dritt-Anbieter heissen beispielsweise Jesta Digital AG, Dimoco oder Buongiorno. Sie alle sagen, ihre Abo-Angebote entsprächen den gesetzlichen Vorgaben.

Anderer Meinung ist der Ombudsmann der Telekommunikation, Oliver Sidler. «Kassensturz» führt ihm die Recherche-Ergebnisse vor. Sidler ist überrascht. «Diese Angebote sind teilweise klar illegal: Wenn ich auf einen Link drücke, wo nichts von Kaufen steht, und so ein Abo löse, dann ist das Abo klar illegal», so der Ombudsmann. Bei anderen Angeboten entsprächen die Preisangaben zwar den gesetzlichen Vorschriften, doch insgesamt seien sie sehr verwirrend.

Für Sidler ist WAP-Billing ein neues Phänomen. Der Ombudsmann macht klar, die Telekom-Anbieter müssen ihre Kunden besser schützen. «Sie verdienen ja mit. Sie müssen dafür sorgen, dass die Kunden transparent informiert werden, dass ein Vertrag abgeschlossen worden ist.»

Erst jetzt reagieren Sunrise und Swisscom

Die «Kassensturz»-Recherche zeigt ebenfalls: Besonders Sunrise lässt die Kunden reihenweise in die Falle tappen. Doch Sunrise behauptet gegenüber «Kassensturz» wochenlang, es sei alles korrekt. Dennoch wird Sunrise aktiv: «Da es zu diesen Diensten viele Beschwerden gibt, sind wir jetzt dabei, diverse Massnahmen zu ergreifen», schreibt Sunrise in einer Stellungnahme. Sunrise wolle 2014 eine zusätzliche, eigene Kaufbestätigungs-Seite einführen, um ungewollte Online-Käufe via Premium-SMS zu unterbinden.

Swisscom hatte eine solche zusätzliche Kaufbestätigung bereits eingerichtet – dann aber wieder darauf verzichtet. Das sei nur ein Pilotversuch gewesen mit einem einzigen Anbieter, sagt Swisscom-Sprecherin Annina Merk. «Wir haben aber festgestellt, dass es diesen zusätzlichen Schritt zur Anmeldung tatsächlich braucht. Wir werden ihn wieder einführen.»

Orange-Kunden sind nicht betroffen

Dass es ohne WAP-Billing geht, zeigt Orange. Auf der «Kassensturz»-Redaktion meldeten sich keine Abonnenten dieses Anbieters - denn Orange verzichtet ganz auf das Abrechnen via WAP.

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