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19.02.13: Tierquälerei auf Pferdefarmen: Erbarmungslose Fleischproduktion
Aus Kassensturz vom 19.02.2013.
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Konsum Quälerei auf Pferdefarmen

Pferde liegen halbtot auf dem Boden, werden blutig geschlagen und zusammengepfercht tagelang ohne Wasser transportiert. Diese Bilder zeigt «Kassensturz» aus Rossfarmen in Kanada, Argentinien und Mexiko. Die Schweizer Detailhändler reagieren jetzt und nehmen Pferdefleisch aus den Regalen.

Über 90 Prozent des Pferdefleisches, das auf Schweizer Tellern landet, stammt aus dem Ausland. Insgesamt importiert die Schweiz im Jahr 5000 Tonnen Rossfleisch. Die Ware kommt hauptsächlich aus Kanada (54 Prozent) , Mexiko (21 Prozent) und Argentinien (11 Prozent). Der Tierschutzbund Zürich (TSB) ist in diese Länder gereist und hat die Zustände der Pferdefleischproduktion dokumentiert. Die Bilder, die «Kassensturz» vorliegen, zeigen tierquälerische Haltungs- und Transportbedingungen.

Tierschutzwidrige Haltung für Schweizer Fleisch

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  • Trotz Tierquälerei-Vorwürfen: Migros bleibt bei Pferdefleisch (zum Artikel)
  • Miese Pferdehaltung auch in Polen (zum Artikel)

Das meiste Pferdefleisch kommt aus Kanada, vom grössten Mast- und Schlachtbetrieb mit EU-Zulassung des Landes: Bouvry Exports. Die Filmaufnahmen des TSB zeigen Tausende von Pferden. Sie stehen gemästet auf Futterweiden, in sogenannten Feedlots. Ohne Witterungsschutz sind sie Wind und Wetter ausgeliefert.

Gedreht hat die Bilder Sabrina Gurtner vom TSB: «Wir werfen Bouvry Exports vor,dass Pferdefleisch unter tierschutzwidrigen Bedingungen produziert wird. Die Haltung der Pferde entspricht weder Schweizer noch EU-Standard.»

Gurtners Hauptvorwurf: Die mangelhafte tiermedizinische Versorgung.  Das Filmteam fand vor Ort kranke und sterbende Tiere, die sich selbst überlassen waren. Der Grossteil der Tiere, die in Kanada geschlachtet werden, stammt aus den Vereinigten Staaten. Denn in den USA gibt es seit 2007 keine Pferdeschlachthöfe mehr. Trotzdem werden auch hier ausrangierte Freizeit-, Sport- und Arbeitspferde gesammelt und auf Auktionen verkauft. Per Transporter verfrachtet man sie durch das ganze Land, bis über die Grenzen nach Kanada im Norden und nach Mexiko im Süden.

Der Umgang mit den Tieren auf den Sammelstellen und während der stundenlangen Transporte ist brutal: Dies zeigen die TSB-Aufnahmen aus New Mexiko, USA,  und beim Grenzübergang zu Mexiko. Arbeiter hetzen die Tiere herum, schlagen sie und pferchen sie in den Transporten so eng zusammen, dass gestürzte Pferde nicht mehr aufstehen können. Einige Tiere überleben die stundenlangen Transporte nicht.

Nach Kanada und Mexiko ist Argentinien das drittgrösste Importland für Pferdefleisch in der Schweiz. Das Team des Tierschutzbundes hat einen Pferdetransporter von der Sammelstelle im Landesinnern zum Schlachthof Lamar bei Buenos Aires begleitet. Unausgebildetes Personal hetzt die Pferde mit Hunden und Schlagstöcken auf das Transportfahrzeug. 18 Stunden lang sind die Tiere anschliessend  unterwegs. Sie stehen eng zusammengepfercht im Transporter ohne Dach und sind Hitze und Regen ausgeliefert. Die Tiere werden weder getränkt noch gefüttert und kommen total entkräftet beim Schlachthof an.

«Pferde reagieren unter Stress panisch»

Pferdetransporter
Legende: Zusammengepfercht auf dem Weg in die Metzgerei TSB

Kassensturz zeigt die Bilder der Verhaltensforscherin Iris Bachmann. Die Pferde-Expertin arbeitet am Schweizerischen  Nationalgestüt in Avenches VD: «Wichtig im Umgang mit Pferden ist Ruhe. Bei schnellen Bewegungen, Schlägen und bellenden Hunden werden die Tiere panisch. Das ist sehr belastend für die Tiere und führt zu Verletzungen.» Ein so langer Tiertransport ohne Pause, Tränke und Fütterung sei ganz klar tierquälerisch, sagt Bachmann.

Das sagen die Schweizer Detailhändler

Jetzt reagieren die Schweizer Detailhändler, wie sie gegenüber Kassensturz erklären: Aldi, Lidl, Denner und Volg nehmen ihr Pferdefleisch vorsorglich aus den Regalen. Sie sind mit ihren Lieferanten in Abklärung.

Coop betont, dass ihr Pferdefrischfleisch aus  Frankreich und Polen komme. «Beim Frischfleisch, bei dem Coop die Beschaffung und die Qualitätssicherung selber und direkt durchführt, sind die Produkte einwandfrei», schreibt Coop.  Anders bei der Pferde-Charcuterie, hier stoppt Coop den Verkauf umgehend: «Die Produkte werden erst dann wieder ins Sortiment aufgenommen, wenn sie den Coop-Beschaffungsrichtlinien vollumfänglich entsprechen.»

Migros und Spar handeln halbherzig

Auch die Migros hat nun vier Prozent des importierten Pferdefleisches aus den Regalen verbannt. Weiterhin verkauft der Grossverteiler das Pferdefleisch vom  Pferdeschlachter und – mäster Bouvry  aus Kanada. Die Migros schreibt: «Die Vorgaben an die Pferdefleischproduktion der Migros umfassen die Mast, den Transport in den Schlachtbetrieb, die Schlachtung und die Verarbeitung.» Die Tiere würden bei  Bouvry während sechs Monaten gemästet, es handle sich weder Freizeit- noch Sportpferde.

Migros bezieht das Bouvry-Fleisch von der Import-Firma Skin Packing SA. Diese hat den Schlachtbetrieb im Juli 2012 von einem unabhängigen Schweizer Tierarzt kontrollieren lassen. Gegenüber «Kassensturz» zeigt sich dieser Tierarzt, Jörg Löpfe, trotzdem überrascht von den aktuellen Bildern aus Kanada: «Solche Bilder habe ich damals nicht gesehen. Wir haben vor, diese Zustände vor Ort anhand dieser Bilder zu überprüfen.»

Auch Spar nimmt alle Pferdefleisch-Produkte aus dem Sortiment mit Ausnahme des Fleisches von Bouvry, das Spar unter der Marke Alberta verkauft. Spar schreibt «Kassensturz»: «Der Zulieferer Bouvry sowie der Importeur Skin Packing SA bestätigen uns, dass sie unserer Anforderungen an Pferdefleisch nachkommen.»

Der grösste Pferdefleisch-Importeur der Schweiz GVFI, der viele Detailhändler beliefert, schreibt «Kassensturz», die Betriebe würden die EU-Verordnung einhalten. Diese sehe vor, dass ein Tierschutzverantwortlicher die Tiere kontrolliert: «Die aktuellen Berichte dieser Tierschutz-Audits belegen, dass die Tiere weder geschlagen noch von Hunden gebissen wurden. Das Filmmaterial, welches der Tierschutzbund Zürich erstellt hat und beschrieben wird, weisen unsere Lieferanten vehement zurück.»

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