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«Alzheimer hautnah» (1/7) Wie ein Paar mit dem Vergessen lebt

Menschen mit Alzheimer büssen über die Jahre immer mehr geistige und körperliche Fähigkeiten ein. Für Angehörige besonders anstrengend ist oft das mittlere Stadium, in dem viele Erkrankte noch zu Hause leben, so auch das Ehepaar Baumann, das «Puls» in einer Serie vorstellt.

Rund 100'000 Menschen leiden in der Schweiz an einer Demenz-Erkrankung. Mit rund 50 Prozent der Betroffenen ist Alzheimer die häufigste Form. Die Krankheit zerstört immer mehr Hirnzellen und löscht das Kurz- und Langzeitgedächtnis zunehmend aus.

Die drei Stadien einer Alzheimer-Erkrankung

Jeder Alzheimer-Kranke hat einen eigenen Krankheits-Verlauf, und die Symptome können von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein. Trotzdem lassen sich drei Krankheits-Stadien unterscheiden, die fliessend ineinander übergehen.

  1. Frühes Stadium: Kurzzeitgedächtnis betroffen, oft psychische Probleme, verändertes Verhalten, bereits Probleme möglich mit räumlicher und zeitlicher Orientierung, mit Sprache und Kommunikation, Wahrnehmungsstörungen möglich. Bereits Auswirkungen auf den Alltag.
    Frühes Stadium und Angehörige:
    Im frühen Stadium, wenn die Alzheimer-Krankheit noch nicht erkannt ist, können Konflikte und Irritationen auftreten, weil sich der Erkrankte auf unerklärliche Weise verändert hat und das Zusammenleben erschwert wird.
  2. Mittleres Stadium: Erkrankte nehmen eigene Defizite weniger wahr, daher gehen depressive Stimmungen eher zurück. Ansonsten schreiten die Störungen der ersten Phase fort. Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist vermehrt auch das Langzeitgedächtnis betroffen, zunehmende Unselbständigkeit im Alltag, Abhängigkeit von Bezugspersonen, gestörte zeitliche und räumliche Orientierung, Rückgang der sprachlichen Fähigkeiten, der Kommunikationsfähigkeit, dauernde Wiederholungen. Typisch sind auch: eine veränderte Wahrnehmung, Unruhe, grosser Bewegungsdrang. Betroffene verlieren ihr Einfühlungsvermögen, leben zunehmend in eigener Welt, im Augenblick. Möglich sind auch Ängste, Aggressionen, «kindliches» Verhalten. Noch immer möglich ist ein Festhalten an alten Gewohnheiten. Die körperliche Verfassung ist noch nicht sehr beeinträchtigt.
    Mittleres Stadium und Angehörige:
    Im mittleren Stadium leben Betroffene oft noch daheim, sind aber schon sehr unselbständig und belasten deshalb Angehörige sehr stark.
  3. Spätes Stadium: Neben dem geistigen Abbau bis zum völligen Sprachverlust treten zunehmend auch körperliche Beschwerden auf, bis hin zu Inkontinenz und Bettlägerigkeit.
    Spätes Stadium und Angehörige:
    Wenn zu allen übrigen Symptomen noch nächtliche Unruhe und Inkontinenz dazu kommen, und wenn Betroffene ihre Nächsten nicht mehr erkennen, kommen pflegende Angehörige oft endgültig an ihre Grenzen und fällen den Entscheid für einen Heimeintritt.

Betroffene sterben im Durchschnitt rund acht bis zehn Jahre nach Ausbruch der Krankheit.

«Alzheimer hautnah»

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Das Ehepaar Baumann
Legende: srf

«Puls» durfte Karl und Annette Baumann vier Jahre lang im anstrengenden Alltag mit der fortschreitenden Demenz begleiten.

Alle Folgen der Serie

Wie kommunizieren mit Demenz-Kranken?

Es ist für Ungeübte oft gar nicht einfach, mit einem Demenz-Kranken zu sprechen und umzugehen. Denn die Krankheit trifft stets auch die Kommunikation in all ihren Ebenen. Die folgenden 10 Tipps sollen eine praktische Hilfe sein, Patentrezepte gibt es allerdings nicht.

  • Einfach, langsam, deutlich sprechen. Machen Sie kurze Sätze, die nur eine Botschaft enthalten oder nur eine Frage. Beispiel: «Wir können jetzt essen!», nicht: «Komm in einer halben Stunde zum Essen, es gibt etwas Gutes, nachher gehen wir auf einen Spaziergang, bevor du dann deinen Mittagsschlaf machst!»
  • Geschlossene Fragen stellen. Stellen Sie keine offenen, sondern geschlossene Fragen, die mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Also: «Willst du Kartoffeln zum Mittagessen?», statt: «Was sollen wir heute kochen?»
  • Augenkontakt suchen. Begegnen Sie dem Demenzbetroffenen von vorne. Kommunizieren Sie mit Augenkontakt, nicht von der Seite oder von hinten.
  • Falsche Aussagen nicht korrigieren. Wenn Demenzkranke «falsche» Dinge behaupten, dann korrigieren und widersprechen Sie nicht. Für die Kranken sind die Aussagen wahr. Besser ist, vom Thema abzulenken oder etwas abzuschwächen, falls der Demenzkranke beunruhigt ist und sich unbegründete Sorgen macht. Extrem schwierig wird es, wenn Erkrankte pflegende Angehörige nicht mehr erkennen und sie ablehnen, weil sie ja «Fremde» sind.
  • Gefühlsbotschaften hören und aufnehmen. Gefühlsbotschaften in wirren Aussagen sind oft wichtiger als die Sachebene. Ein Beispiel: Eine demenzkranke Frau will heim zu ihren Kindern, sofort, sie ist verärgert. Sagen Sie ihr nicht, dass die Kinder längst erwachsen und selbständig sind, das weiss sie nicht mehr. Spiegeln Sie ihre Gefühle: «Nicht wahr, das ist ärgerlich, wenn man nicht einfach gehen kann, wie man will!», oder wenn sie traurig ist: «Nicht wahr, man macht sich als Mutter immer Sorgen um die Kinder!» So fühlt sich die Demenzbetroffene zumindest verstanden.
  • Demenzkranke nicht mit Defiziten konfrontieren. Kein «Jetzt weisst du immer noch nicht, auf welchen Knopf du bei der neuen Kaffeemaschine drücken musst!», oder «Heute ist Mittwoch, das solltest du doch wissen, warum willst du jetzt in die Kirche?» Solche Kritik löst Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Patentrezepte gibt es allerdings nicht.
  • Aufrichtig sein, eigene nonverbale Signale wahrnehmen. Demenzbetroffene haben feine Antennen für Unaufrichtigkeit. Es ist also wichtig, im Umgang «echt» zu bleiben und z.B. zu auch zu merken, wenn man als Angehöriger ungeduldig oder ärgerlich wird, was sich in der eigenen Körpersprache ausdrückt.
  • Realitäten nachempfinden oder teilweise übernehmen. Es kann manchmal richtig sein, zu «lügen». Konkretes Beispiel. Der Demenzkranke hält das Pflegeheim für ein schönes Hotel. Falls er sich dabei wohlfühlt, kann es sinnvoll sein, seine Wahrnehmung zu bestätigen: «Ich finde auch, dass das ein sehr schönes Hotel ist.» Zu einer solchen «Lüge» kann man sich allerdings nicht zwingen.
  • Berührungen können z.B. bei sprachlosen Demenzkranken hilfreich sein, sollen aber taktvoll und vorsichtig erfolgen. Die Hand halten, den Arm streicheln, solche Berührungen werden oft positiv aufgenommen.
  • Weder zureden noch verstummen. Wenn Demenzkranke kaum noch reden, sollte man darauf achten, nicht mit dem Kranken zu verstummen, aber auch nicht pausenlos und hektisch auf ihn einzureden, wenn keine Reaktionen kommen.

Wer behandelt Alzheimer-Kranke?

Erste Anlaufstelle bei einem Demenz-Verdacht ist meistens der Hausarzt. Für weitere Abklärungen gibt es spezialisierte Memory-Kliniken. Eine genaue Abklärung ist z.B. sinnvoll, um andere mögliche Ursachen zu erfassen. Denn auch Hirntumore, Depressionen oder Mangelzustände können Demenz-artige Symptome verursachen. Es kann allerdings auch sein, dass Betroffene eine Abklärung vehement ablehnen.

Welche Ursachen haben Alzheimer und andere Demenz-Krankheiten?

Alzheimer: Was man heute weiss: Die Alzheimer-Krankheit beginnt typischerweise im Hippocampus, einer für das Gedächtnis wichtigen Hirnregion. Sie wirkt als Schaltstelle zwischen dem Kurzzeit- und dem Langzeitgedächtnis. Innerhalb und ausserhalb der Hirnzellen kommt es bei Alzheimer zu zwei typischen Fehlbildungen. Ausserhalb der Neuronen verklumpt das Protein Amyolid-beta und legt sich als Film auf die Neuronen-Oberfläche. Innerhalb der Zellen verknäuelt das sogenannte Tau-Protein, wodurch das Neuron zugrunde geht. Wie die beiden Veränderungen zusammenhängen, wird noch erforscht. Unklar ist auch, warum und wie genau sich die schädlichen Prozesse im Gehirn ausbreiten. Mit der Zeit verlieren ganze Gruppen von Neuronen ihre Funktionstüchtigkeit und sterben ab. Nach wie vor ist Alzheimer unheilbar und schreitet letztlich immer weiter voran. Bei einer frühen Diagnose lässt sich der Verlauf unter Umständen um ein bis zwei Jahre durch Medikamente verzögern.

Vaskuläre Demenz: Ganz andere Ursachen als Alzheimer hat die zweithäufigste Demenzform: 20 Prozent der Demenzkranken leiden unter einer vaskulären Demenz. Hier geht die Erkrankung von den Blutgefässen aus. Oft unbemerkt verengen sich immer mehr kleine Blutgefässe. Das führt zu einem Sauerstoffmangel in den Hirnzellen, die daran zugrunde gehen. Alzheimer und vaskuläre Demenz können auch gemeinsam auftreten.

Frontotemporale Demenz: Diverse weitere Demenzformen haben ähnliche Ursachen wie Alzheimer. Die schädlichen Prozesse beginnen aber in anderen Hirnregionen. Deshalb sind die ersten Symptome anders als bei Alzheimer. Die sogenannte «Frontotemporale» Demenz beginnt z.B. in einer Hirnregion, die Gefühle und das Sozialverhalten kontrolliert. Betroffene verändern sich deshalb in ihrer Persönlichkeit, ihr soziales Verhalten wird auffällig, es kommt z.B. zu Aggressivität und Taktlosigkeit. Betroffene sind aber nicht vergesslich wie Alzheimer-Kranke.

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