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Ein Skateboarder mit oranger Beinprothese fährt Skateboard.
Legende: Noch sind Prothesen keine echten Allrounder. Diese hier scheint zum Skateboarden aber gut geeignet zu sein. Keystone

SRF Menschmaschine Hightech-Prothesen – immer besser, immer mehr

Was vor Jahrzehnten noch undenkbar war, ist heute bereits vielfach Routine. Ob Sehen, Hören, Gehen oder Greifen: Technologie kann Menschen mit Handicap helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Und in Zukunft könnten auch Menschen, die eigentlich gesund sind, solche Hilfsmittel einsetzen.

Ob Zehenprothesen einer ägyptischen Mumie aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, ein mittelalterlicher Hand- und Armersatz aus Holz oder die «eiserne Hand» des Götz von Berlichingen: Seit Menschen handwerklich dazu in der Lage sind, versuchen sie, verlorene Gliedmassen durch Prothesen zu ersetzen.

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Doch erst die vielen Kriegsversehrten des Ersten und Zweiten Weltkriegs zwangen zu innovativeren Lösungen als dem simplen Seemanns-Haken. Erstmals wurden Prothesen jetzt beweglich. Die «Fischer-Hand» des deutschen Orthopäden Konrad Biesalski nutzte nach dem ersten Weltkrieg die verbliebene Kraft des Armstumpfs, um eine Art Zange zu bewegen. Und der «Sauerbruch-Arm» (benannt nach seinem Erfinder, dem berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch) war ein Meilenstein der Prothetik – aber so teuer, dass sie nur Wenigen zur Verfügung stand.

Diese Prothese war über einen durch den Muskel platzierten Bolzen mit dem verbliebenen Oberarmstumpf verbunden. Die verbliebene Muskulatur bewegte die Prothese. Bekanntester Träger: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der das misslungene Attentat auf Hitler verübte.

Heute ist es nicht mehr nur möglich, Körperteile zu ersetzen, sondern auch Defekte der Augen oder Ohren auszugleichen – auf hochtechnologische Art und Weise.

Drei Beispiele für Hightech am Patienten:

Netzhautprothesen (Retina-Implantate)

Menschen mit degenerativen Netzhauterkrankungen können von Retina-Implantaten profitieren, solange ihre Sehnerven und die zugehörige Hirnstruktur noch intakt sind.

Es gibt bis dato zwei Varianten:

Ein älterer Mann trägt eine Brille mit Kamera.
Legende: Retina-Implantat-Träger mit der dazugehörigen Brille inklusive Kamera, die die Bilder an das Implantat überträgt. Keystone

Epiretinales Implantat : Ein wenige Quadratmillimeter kleiner Mikrochip sowie Stimulationselektroden werden in einer mehrstündigen Operation direkt auf der Retina, der Netzhaut, verankert. Eine Kamera, integriert in eine Brille, leitet die Informationen an den Chip weiter.

Dieser Chip wiederum ist mit den Stimulationselektroden verbunden, die die Sehnerven aktivieren. Sie geben die Informationen zur Verarbeitung ans Gehirn weiter. Dadurch entsteht meist zwar kein klares Bild wie bei Gesunden, aber eine Wahrnehmung von Lichtreizen und somit von Hindernissen oder Raumverhältnissen, manchmal auch von Gesichtern.

Aufnahme eines ins Auge implantierten Chips.
Legende: Das Retina-Implantat wandelt Lichtreize in elektrische Reize um, die die Sehnerven stimulieren. imago

Subretinales Implantat : Das Implantat wird zwischen Netz- und Aderhaut gesetzt. Diese Prozedur ist deutlich aufwändiger als die zuvor erwähnte, hat aber den Vorteil, dass keine Brille mit Kamera nötig ist. Denn das Implantat selbst ist mit Photodioden ausgestattet. Je nach Stärke des einfallenden Lichts werden unterschiedliche Signale mittels Elektroden über die Nerven ans Gehirn weitergeleitet.

Beide Methoden sind mit sehr viel Training verbunden, weil das Gehirn lernen muss, mit der Information umzugehen. Daten zum Erfolg gibt es bislang vor allem bei der älteren, epiretinalen Methode: In manchen Fällen gelingt es Betroffenen demnach sogar, knapp ein Zentimeter grosse Buchstaben zu lesen.

Normales Sehen mit Implantaten zu gewährleisten ist aber noch Zukunftsmusik. Denn ein gesundes Auge kann eine Million Bits pro Sekunde verarbeiten – so viel schafft momentan keine Technik. Auch bei der Auflösung sind die Unterschiede noch gross: Retina-Implantate mit ihren 60 bis 1500 Bildpunkten sind von der Leistungsfähigkeit einer gesunden Netzhaut mit mehr als 130 Millionen Fotorezeptoren noch weit entfernt.

Cochlea-Implantate

Grafik einer Innenohrs.
Legende: Das Cochlea-Implantat übernimmt die Aufgabe der Cochlea und gibt die Reize an die noch intakten Hörnerven weiter. imago

Für taube oder ertaubende Menschen mit intaktem Hörnerv ist inzwischen das Cochlea-Implantat, kurz: CI, gut erforscht. Es springt für die Hörschnecke (Cochlea) ein. Dazu werden in einem Eingriff Elektroden in die Hörschnecke eingeführt. Der hintere Teil des Implantats wird unter der Haut hinter dem Ohr im Schädelknochen befestigt.

Ein Magnet bewirkt, dass der äussere Teil der Empfangsspule einfach von aussen auf die Haut aufgesetzt werden kann. Geräusche werden dann über den äusseren Empfänger an die innere Empfängerspule weitergeleitet. Der Elektrodenstrang in der Hörschnecke stimuliert den Hörnerv elektrisch, der die Signale ans Gehirn weitervermittelt.

Auch hier ist die Mitarbeit des Patienten gefragt: Nachdem das Implantat gut eingeheilt ist, beginnt die Feinjustierung. So kann es Monate, manchmal sogar Jahr dauern, bis die CI-Träger mit dem Hörergebnis zufrieden sind.

Dann ist der Nutzen jedoch enorm: War es mit älteren Geräten früher allenfalls möglich, kurze von langen Wörtern zu unterscheiden, kann heute in der Regel das Sprachverständnis wiederhergestellt werden. Bereits für kleine Kinder ist die Methode eine gute Option: Ein früher Einsatz lohnt sich, denn sonst kann insbesondere bei kleinen Kindern die Cochlea verknöchern.

Bionische Prothesen

Komplexe Biologie mit komplexer Technik; natürliche Abläufe, übertragen an künstliche Systeme: Es geht es nicht mehr nur darum, einen fehlenden Körperteil notgedrungen durch eine Prothese zu ersetzen. Die Prothese bildet die eigentlichen Möglichkeiten eines Körpers nicht nur nach, sondern übertrifft sie: Beinprothesen beispielsweise, die anders als Muskeln nicht ermüden und dank Federung besonders explosiv im Sprint sind, oder mit Spikes versehene Kletterprothesen, mit denen Gletscherwände kein unüberwindbares Hindernis mehr darstellen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Visionäre denken sogar, dass auch der gesunde Mensch in Zukunft auf sogenannte Exoskelette zurückgreifen wird. So kann er Gelenke schonen, zum Beispiel die Knie beim Joggen. Die Entwicklungen der Zukunft könnten auch Perspektiven verschieben: Vielleicht sind unversehrte Sportler schon bald für Sportler mit Handicap gar keine interessante Konkurrenz mehr – einfach, weil diese für Prothesenträger nicht herausfordernd genug sind.

Bionische Prothesen setzen auf die verbliebenen Muskeln – und darauf, dass das Gehirn sich auch nach dem Verlust einer Hand oder eines Beins noch daran erinnert, wie sich die Gliedmassen vor der Amputation bewegen liessen. So schickt das Gehirn Bewegungsbefehle selbst dann noch los, wenn es den Empfänger gar nicht mehr gibt. Bionische Prothesen fangen diese Signale auf und geben sie an die Prothese weiter. Die Prothese selbst stellt ständig eigene Berechnungen an: Wie stark ist der Impuls? Wie ist der Untergrund beschaffen? Wie stark ist die Hangneigung?

Ganz vorne dabei in der Entwicklung ist das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Forscher beschäftigt beispielsweise die Entwicklung einer «Allround»-Beinprothese. Denn während es Spezialprothesen zum Klettern oder Sprinten gibt, gibt es noch nicht die eine Prothese, die alles kann.

So haben manche Menschen eine ganze Palette Prothesen im Schrank; für jeden Sport eine. Beim einbeinigen Rennfahrer Jozef Metelka sind das 13 – ein unbezahlbarer Luxus für die meisten.

Nicht nur das Nutzen der eigenen Impulse ist ein Ziel – auch der umgekehrte Weg soll in Zukunft funktionieren: Handprothesen sollen einen Tastsinn haben, dessen Eindrücke von der Prothese ans Gehirn fliessen sollen. Spätestens dann arbeiten Mensch und Prothese tatsächlich im Team.

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