Sind keimfreie Hände gesund? Und was haben Leichen aus dem 19. Jahrhundert mit dem Händewaschen zu tun? Ein Dermatologe im Interview zum Welttag der Handhygiene.
SRF Wissen: Warum braucht es einen Welttag der Handhygiene?
Christoph Schlapbach: Damit werden wir an eine einfache Methode erinnert, die effizient Krankheiten verhindert. Grundsätzlich sollten wir als Gesellschaft nicht vergessen, dass die Hygiene als Konzept eine der grössten Errungenschaften der Medizin darstellt.
Heute ist Händewaschen in unserem Alltag integriert. Besonders seit dem Ausbruch der Pandemie. Zu Beginn der Pandemie wurde das Händewaschen von allen Seiten empfohlen. Warum wurde es so still darum?
Das ist einfach zu erklären. Zu Beginn der Pandemie war nicht vollständig klar, wie das neue Virus Sars-CoV-2 übertragen wird. Es war plausibel, dass ein relevanter Teil der Covid19-Infektionen über Schmierinfektionen – also Übertragung durch Kontakt – passieren. Händewaschen ist ein effizientes Mittel dagegen. Heute wissen wir, dass Corona vor allem über die Luft durch Niesen, Singen oder Reden übertragen wird. Masken tragen und Lüften von Räumen wurde daher wichtiger als Händewaschen, wobei es immer noch einen wichtigen Pfeiler der Massnahmen darstellt.
Haben die Anfragen zu Hautproblemen an den Händen seit Beginn der Pandemie zugenommen?
Das ist auf jeden Fall so. Durch die alkoholhaltigen Desinfektionsmittel und durch Seifen werden die schützenden Fette aus der Haut gelöst. Man kann sich die Haut vereinfacht als eine Backsteinmauer vorstellen. Die Hautzellen sind die Steine und die Fette der Mörtel. Wäscht man nun langsam den Mörtel weg, wird die Mauer brüchig und instabil. Das ist vielfach der Grund für die unerwünschten Hautentzündungen nach (zu) häufigem Händewaschen.
Was hilft dagegen?
Glycerin haltige Desinfektionsmittel helfen, da die bereits zu einer gewissen Rückfettung der Haut führen. Zudem sollten Personen mit sensibler Haut diese nach dem Waschen rückfetten. Idealerweise mit harnstoffhaltigen Handcremes.
Sind keimfreie Hände gesund?
Keimfreie, also sterile Hände sind grundsätzlich ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist auch keineswegs das Ziel.
Gesunde Hände werden von Abermillionen von Bakterien besiedelt, auch Mikrobiom genannt.
Gesunde Hände werden von Abermillionen von Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt, zusammengefasst Mikrobiom genannt. Die Wechselwirkung des Mikrobioms mit unserer Haut ist wichtig für deren Gesundheit.
Was ist das grösste Missverständnis, wenn es ums Händewaschen geht?
Händewaschen führt nicht zu sterilen Händen und das soll es auch gar nicht. Es reduziert die Menge der Keime und dadurch die über die Hände übertragbaren Infektionen. Das genügt auch. Denn es gibt auch sowas wie zu viel Händewaschen. Im normalen Alltag müssen wir uns nicht alle zehn Minuten die Hände waschen, um den erwünschten Effekt zu erzielen. Aber gezieltes Händewaschen ist ein wichtiger Grundpfeiler der Hygiene.
Das Gespräch führte Sandro Käser.