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Magische Polarlichter – warum sie auch gefährlich sind
Aus Einstein vom 19.01.2023.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 37 Minuten 53 Sekunden.
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Polarlichter Wie Sonnenstürme zu einem Blackout führen können

Polarlichtjäger freuen sich über jeden Sonnensturm. Je stärker er ist, desto weiter südlich kommt das Nordlicht. In extremen Stürmen wurden Nordlichter bis Kuba beobachtet. Solch extreme Stürme wären aber ein Problem für die Zivilisation.

Es ist ein kalter Märzmorgen im Jahr 1989. Draussen herrschen minus 13 Grad, als die kanadische Stadt Montréal erwacht. Die Häuser bleiben kalt, nachts ist die Heizung ausgefallen. Kein Licht, kein Strom. Die U-Bahn fährt nicht, Geschäfte und Schulen bleiben geschlossen. Der Stromausfall dauert über neun Stunden, sechs Millionen Menschen sind betroffen.

In der Nacht hat ein Sonnensturm die Erde getroffen. Es ist zu schnellen Schwankungen im Magnetfeld gekommen. Dies hat starke Ströme im Stromnetz der kanadischen Provinz Québec verursacht, an Transformatoren sind unregelmässige Ströme bis zu 110 Ampere gemessen worden. Die Störungen haben innert 90 Sekunden zum Blackout in der ganzen Provinz geführt.

Die 1000 km/s-Plasmawolke

Wenn es auf der Sonne zu Explosionen kommt, können riesige Plasmawolken ins All geschleudert werden, die Geschwindigkeiten von über 1000 Kilometer pro Sekunde haben. An etwa 30 Tagen im Jahr trifft uns eine solche Plasmawolke. Meistens bemerken wir das nur, weil es wunderschöne Polarlichter gibt.

Sonnenexplosionen: Strahlung und Plasmawolke

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Legende: An den Sonnenflecken (in diesem Bild hell) können «koronale Massenauswürfe» stattfinden. NASA SOHO

Der Fachbegriff ist «Koronaler Massenauswurf». Solche Auswürfe treten meist an Sonnenflecken aus. Es wird sogenanntes Plasma ausgeworfen, ein Teilchengemisch aus Protonen, Elektronen, aber auch neutralen Atomen und Molekülen.

Eine Plasmawolke ist also eine elektrisch geladene Gaswolke. Sie kann mehrere Milliarden Tonnen Materie beinhalten und weit über 1000 km/s schnell sein. Von der Sonne zur Erde braucht diese Gaswolke nur zwei bis vier Tage. Noch viel schneller unterwegs sind die Radiowellen, Gamma- und Röntgenstrahlen, sie erreichen die Erde schon nach acht Minuten.

Trifft die Plasmawolke auf das Erdmagnetfeld, wird es stark verformt und es kommt zu starken Schwankungen im Magnetfeld bei uns, was Ströme in Stromleitungen verursacht.

Das funktioniert gleich wie bei einem alten Fahrrad-Dynamo: Im Dynamo ist ein Magnet umgeben von einem gewickelten Draht, einer Spule. Der Magnet wird vom Rad gedreht und verursacht so eine Stromspannung im Draht. Der Effekt wird «Induktion» genannt.

Wenn das Erdmagnetfeld Schwankungen hat, verursacht dies ebenfalls eine Stromspannung durch Induktion in Stromleitungen. Gefährdet sind lange Überlandleitungen, die in Nord-Südrichtung verlaufen. Am stärksten ist der Effekt in Leitungen in der Nähe der magnetischen Pole, also beispielsweise im hohen Norden Europas.

Schweiz ist indirekt betroffen

Das Schweizer Stromnetz wäre davon kaum betroffen, zeigen Studien der ETH. Die Leitungsabschnitte unserer Stromleitungen sind kurz und wir liegen zu weit südlich. Allerdings würden wir indirekte Auswirkungen spüren, denn in Nordeuropa käme es möglicherweise zu Stromausfällen, die zu einem europäischen Stromengpass führen würden.

Grüne Strahlen am Sternenhimmel, Tower-Gebäude im Dunkeln.
Legende: Nordlicht über einem Flugplatz-Tower in Island. Christoph Siegrist

Studien für die USA zeichnen hingegen ein düsteres Szenario: Ein grosser Sonnensturm könnte in Hochspannungsleitungen rund 300 Transformatoren zerstören – sie würden überhitzt und regelrecht durchbrennen. In Nordamerika wären 130 Millionen Menschen plötzlich ohne Strom. Die Trafos liessen sich nicht reparieren, sie müssten ausgetauscht werden, was Monate dauern könnte.

Ausfall von Navis und Mobiltelefonen

Durchaus betroffen wären die Kommunikationssysteme in der Schweiz. Durch einen Sonnensturm können Satelliten gestört werden und Funkverbindungen fallen aus. Navigationssysteme können nicht mehr richtig arbeiten.

Das tut die Schweiz

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Weltraumwetter ist eine globale Herausforderung, die internationale Zusammenarbeit ist dabei zentral. Es gibt weltweit vier Zentren für Weltraumwetter. Diese Zentren geben Informationen zum Weltraumwetter ab, die in der Schweiz via MeteoSchweiz an die Piloten, Flugplaner oder die Flugsicherungen gegeben werden.

Steht ein Sonnensturm bevor, informiert die Europäische Weltraumorganisation («European Space Agency» ESA) die «Nationale Alarmzentrale» (NAZ) der Schweiz, die dann die wichtigen Infrastrukturbetreiber informiert.

Am 7. November letzten Jahres haben die Flughäfen in Nordskandinavien ihr satellitengestütztes Anflugsystem abgestellt, weil die Sonne stürmte. Damals war die Schweiz nicht betroffen, doch würde uns ein starker Sturm treffen, wäre auch der Flugverkehr in der Schweiz unterbrochen.

Und nicht nur das: Die Mobiltelefonie würde gestört und der elektronische Zahlungsverkehr würde teils unterbrochen, weil die Satellitenkommunikation ausfällt. In einer Risikoanalyse aus dem Jahr 2020 berechnet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz Babs den wirtschaftlichen Schaden eines grossen Sonnensturms für die Schweiz auf 1.5 Milliarden Schweizer Franken.

Sonnensturm-Prognose missachtet

Besonders eindrücklich zeigte sich die Gefahr der Sonne im Februar 2022. Damals zerstörte ein Sonnensturm 40 Satelliten des Starlink-Netzwerks, das weltweiten Internetzugang bieten soll. Trotz angekündigtem Sonnensturm setzte eine Rakete 49 neue Starlink-Satelliten auf einer Höhe von 220 Kilometern im All aus. Von dort sollten sie mit ihren Ionentriebwerken selber auf die endgültige Bahn auf 500 Kilometer über der Erde steigen.

Was ist «Starlink»?

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Seit 2019 baut Elon Musk mit seinem Unternehmen Space-X ein Netzwerk aus tausenden Satelliten auf, das weltweites Internet anbieten will. Dieses System nennt er «Starlink». Es unterstützt immer wieder Regionen mit gestörtem oder fehlendem Internet, wie z.B. die Ukraine oder den Pazifikstaat Tonga, der nach dem Ausbruch eines Unterwasservulkans seine Internetanbindung verlor.

Neue Starlinksatelliten sind immer wieder als Lichterkette zu sehen, die über den Nachthimmel zieht.

Aber noch bevor sie aufsteigen konnten, traf der Sonnensturm auf die Erde. Die Plasmawolke traf auf die oberen Schichten der Atmosphäre, erwärmte sie und die Atmosphäre dehnte sich aus. Um die Satelliten war plötzlich dichtere Luft, sie erfuhren mehr Reibung, was sie abbremste. Zentrifugalkraft und Erdanziehungskraft kamen aus dem Gleichgewicht, die Satelliten wurden Richtung Erde gezogen und verglühten. Schaden: 50 Millionen US-Dollar.

Ein verheerender Sonnensturm trifft uns zum Glück selten. Experten der «US Geological Survey» berechneten, dass ein verheerender Sonnensturm statistisch einmal in 500 Jahren auftritt.

SRF1, Einstein, 19.01.2023, 21:05 Uhr

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