Seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit Israel und Palästina, habe mehrmals in der Region gelebt und gearbeitet. Zum letzten Mal vor genau einem Jahr, als ich die Parlamentswahl in Israel für SRF begleitete.
So sehr wir Journalistinnen und Journalisten uns um professionelle Distanz bemühen: Im Moment fällt mir das schwerer als sonst. Letztlich sind auch wir Medienschaffende Menschen mit einer eigenen Biografie, eigenen Haltungen. In diesen Tagen wird die Grenze zwischen meiner beruflichen Identität als «Echo»-Produzentin und mir als Privatperson stärker als üblich verwischt.
Und so verbringe ich einen guten Teil meiner Freizeit am Computer, lese internationale Zeitungen und scrolle mich durch X (früher Twitter). Die Flut an schrecklichen Nachrichten und Schicksalen, aber auch der abgrundtiefe Hass sind erdrückend. Aber ab und zu lese oder höre ich kluge Gedanken, und einen davon möchte ich mit Ihnen teilen. Er stammt vom israelischen Historiker Noah Yuval Harari, geäussert auf dem britischen Sender Channel 4 News:
Der israelische Verstand ist derzeit so sehr von Schmerz erfüllt, dass kein Platz mehr bleibt, um den Schmerz der anderen zu fühlen. Das Gleiche gilt für die Palästinenser. Es ist deshalb die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und aussenstehenden Beobachtern, Mitgefühl mit beiden Seiten zu haben sowie eine Eskalation und weitere Kriegsverbrechen zu verhindern.
«Echo»-Hörtipps zum Thema:
«Es braucht Respekt»
Im Zuge des terroristischen Grossangriffs der Hamas auf Israel wurden über 200 Menschen in den Gazastreifen verschleppt – das ist der aktuelle Wissensstand. Es ist davon auszugehen, dass hinter den Kulissen intensiv über die Freilassung der Entführten verhandelt wird. Wie muss man sich das vorstellen?
Wir haben jemanden gesucht, der selber schon bei ähnlichen Verhandlungen dabei war, und sind auf Matthias Schranner gestossen. Er hat eine Zeitlang für das deutsche Innenministerium als Spezialist für Geiselnahmen gearbeitet. Schranner sagt, es sei unerlässlich, mit der Hamas zu sprechen – wenn auch im Geheimen. Vertrauen zu den Entführern aufzubauen, sei unmöglich. Aber man muss der Gegenseite in diesem Moment wohl oder übel mit Respekt begegnen.
Hoffnung auf Unterstützung aus der Schweiz
Für die Angehörigen der Verschleppten ist die Ungewissheit unerträglich. Diese Woche war eine Gruppe betroffener Israeli in der Schweiz und hat Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Aussendepartementes EDA geführt. Sie wollen die Schicksale ihrer Liebsten in die Welt tragen und Druck machen, dass deren Befreiung zur Priorität wird für die israelische Regierung.
Bundeshaus-Redaktorin Christine Wanner hat mit einigen von ihnen sprechen können. Eindrücklich, wie differenziert die Betroffenen sich äussern. Und wie gross ihre Hoffnungen sind, dass gerade die neutrale Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Befreiung der Entführten leisten wird.