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Öffentliche WCs in der Beiz
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Öffentliche WCs in der Beiz

Restaurants und Geschäfte sollen ihre Toiletten für Passanten öffnen. Diese Idee aus Deutschland wird in mehreren Schweizer Städten diskutiert. Solothurn will damit bis nächstes Jahr den sanitären Notstand in der Altstadt beseitigen.Im Solothurner Stadtkern herrscht WC-Mangel. In den letzten acht Jahren habe die Stadt alle öffentlichen Toiletten in der Altstadt schliessen müssen, erklärt Stadtschreiber Hansjörg Boll die aktuelle Lage. Eine Sanierung der alten Anlagen wäre zu teuer gewesen. Für eine neue, moderne Toilette fehlen der Platz und das Geld. «Die letzte Toilette, die wir gebaut haben, hat gegen eine halbe Million Franken gekostet», sagt Hansjörg Boll. Dazu kommen jährlich rund 100‘000 Franken für die Betreuung der Toilette. Eine Toilettenaufsicht ist nötig, um Schäden durch Vandalismus vorzubeugen. Einen kostengünstigen Ausweg fand Boll bei Solothurns Partnerstadt Heilbronn. Heilbronn ist eine von 127 Städten in Deutschland, die das Konzept «nette Toilette» anwenden: Restaurants und Läden öffnen ihre WCs gratis für die Öffentlichkeit. Im Gegenzug bezahlt die Stadt einen Teil der Unterhalts- und Reinigungskosten.Die Idee, die Gastronomen einzubinden, findet Hansjörg Boll bestechend: «Das ermöglicht ein dichtes Netz an betreuten Toiletten auf kleinstem Raum.» Ziel ist es, das Konzept bis nächstes Jahr in Solothurn einzuführen. Zunächst muss die Stadt aber abklären, wie viel sie den Beizern für den Unterhalt der Toiletten bezahlen kann und welche Betriebe mitmachen würden. An der Umsetzung sind jedoch schon andere Schweizer Städte gescheitert. In Luzern und St. Gallen wurde die Idee diskutiert und verworfen. Die Stadt Dübendorf hat ein ähnliches Projekt 2011 abgebrochen. «Die Gastronomen waren dafür nicht zu begeistern», sagt der Dübendorfer Stadtschreiber David Ammann dazu. Die Beizer betonten, dass Passanten schon jetzt Restaurant-Toiletten nutzten. Zudem sei das WC-Problem eine öffentliche Aufgabe.In Interlaken hat das Parlament die Gemeinde aufgefordert, das Konzept der «netten Toilette» zu testen. Der geplante Versuchsbetrieb liegt derzeit aber auf Eis. Hinter dem Vorstoss steckt Gemeinderatspräsident David Bühler/EVP. Er leitet selbst eine Herberge und glaubt, dass das Gastgewerbe profitieren würde: «Ein Plus sind mehr Laufkundschaft und ein positives Image.» Das bestätigt die deutsche Stadt Aalen, die das Konzept vor zehn Jahren aus der Taufe hob. Die Zahl der beteiligten Betriebe hat sich inzwischen verdoppelt. Für neue Interessenten gibt es eine Warteliste. Die Stadt konnte Kosten sparen, indem sie zwei von sieben öffentlichen Toiletten dicht machte - trotzdem finden Passanten heute flächendeckend gratis Klos.Besonders wichtig ist dieser Aspekt für Bruno Raffa. Er ist Präsident der Schweizerischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung und vertritt in dieser Funktion die Interessen von Menschen mit Darmerkrankungen. «Für viele dieser Menschen ist es schwierig am öffentlichen Leben teilzunehmen - aus Angst, dass keine Toilette vorhanden ist», sagt Bruno Raffa.Er setzt sich dafür ein, dass mehr private Toiletten frei zugänglich sind. Allerdings könne ein Konzept in der Form der «netten Toilette» nur als Ergänzung zu öffentlichen WCs dienen. Denn: «Im Gegensatz zu vielen öffentlichen Toiletten sind WCs in Gastbetrieben nur zu den jeweiligen Geschäftszeiten geöffnet. Ebenfalls könnte das Problem der behindertengerechten öffentlichen Toilette so nicht gelöst werden.»In der Sendung «Regional-Diagonal» war die «nette Toilette» letzhin ebenfalls Thema. In der Region Unterengadin - genauer in Ftan - ist das System bereits in Betrieb - mit Erfolg!

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