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Nora Zukker
SRF 3
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«Meine Olympiade»: Autor probiert 80 Disziplinen aus

Während der Olympischen Spiele 2012 fasst der Bestsellerautor Ilija Trojanow einen ehrgeizigen Entschluss: Er will alle achtzig Olympia-Sommer-Einzeldisziplinen trainieren. Sein Ziel: halb so gut abzuschneiden wie der Goldmedaillengewinner von London.

Er wirft Diskus, Speer und Hammer, spielt Badminton, misst sich im Zehnkampf, bezwingt im Kajak das Wildwasser, er lernt Ringen im Iran, boxt in einem legendären Gym in Brooklyn, absolviert das Judotraining in Japan und läuft im Hochland von Kenia.
Ilija Trojanows Bericht einer Selbsterfahrung bietet einen einzigartigen, faszinierenden Einblick in die Welten und Milieus des Sports. Eine ebenso kluge wie humorvoll-selbstironische Reflexion über Grenzen, über die Beziehung von Geist und Körper und über das Älterwerden.

«Die Herausforderung beim Schiessen besteht darin, sich in eine Maschine zu verwandeln. Instinkt, Kreativität oder Improvisation kommen nicht zum Tragen.»

Dem Ilija Trojanow entspricht nicht jede Sportart. Schiessen mag er nicht. Aber besonders schön beschreibt er das Gewichtheben: «Von allen Sportarten erschien mir Gewichtheben als die unattraktivste. Weil sie eine Fähigkeit fördert, die im Leben selten zum Tragen kommt – eigentlich nur, wenn man umziehen muss –, zum anderen, weil sie den Menschen nicht gerade veredelt.»

Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia, wo Ilija Trojanow zu einem begeisterten Sportler wurde. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie an der Universität München. In München gründete er 1989 den Kyrill & Method Verlag und 1991 den Marino Verlag. 1998 zog Trojanow nach Bombay, 2003 nach Kapstadt, heute lebt er, wenn er nicht reist, in Wien. Seine weithin bekannten Romane wie ›Die Welt ist groß und Rettung lauert überall‹, ›Der Weltensammler‹ und zuletzt ›Eistau‹ sowie seine Reisereportagen wie ›An den inneren Ufern Indiens‹ sind gefeierte Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Herbst 2015 erschien bei S. Fischer sein großer Roman ›Macht und Widerstand‹.

Leseprobe

Stellen Sie sich vor, Sie füllen den grössten Koffer in Ihrem Besitz mit Ihren schwersten Büchern und gehen in die Hocke, so tief, dass der Hintern fast den Boden berührt, bevor Sie Ihren Körper in die Höhe wuchten, während Sie die Arme nach oben strecken, so dass der Koffer mit den gelehrigen Werken über Ihrem aufrechten Körper schwebt. Wenn Sie sich das wirklich vorstellen können, dann sind Sie für das Reissen gewappnet. Von allen Sportarten erschien mir Gewichtheben als die unattraktivste. Weil sie eine Fähigkeit fördert, die im Leben selten zum Tragen kommt - eigentlich nurm wenn man umziehen muss -, zum anderen, weil sie den Menschen nicht gerade veredelt. Doch wie es dem Teufel der schweren Last gefällt, sind just in dieser Sportart Athleten aus meinem Herkunftsland traditionell sehr erfolgreich: Bulgarische Gewichtheber haben bei Olympia zwölf Mal Gold erwuchtet. Derart kulturell vorbelastet, musste ich mich dem Gewichtheben wohlwollend stellen. In einer frühen Kindheitserinnerung stehe ich an der Bushaltestelle in Plewen. Ich verbringe die Sommerferien bei den Grosseltern väterlicherseits und werde wie ein Superschwergewichtler gemästet. Wie sehen einen Wartenden, der in die Knie geht, zugleich die Arme zur Brust reisst und aus der Hoche heraus mit gestreckten Armen hochschnellt. Eine merkwürdige Verrenkung, denke ich. Eine Bewegung, erklärt mir mein Grossvater etwas steif und förmlich, die typisch sei für eine Sportart namens Gewichtheben.

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