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Film über Syriens Ex-Diktator Der Schlächter, der kein Blut sehen kann

24 Jahre lang klammerte sich Baschar al-Assad an die Macht – bis er von einem Tag auf den anderen die Flucht ergriff. Wie kam es so weit?

«Mir ist selten jemand mit einer solchen Doppelzüngigkeit begegnet.» Gemeint ist Baschar al-Assad, der von 2000 bis 2024 Staatspräsident Syriens war. Die Aussage getätigt hat Michel Duclos, von 2006 bis 2009 französischer Botschafter in Syrien.

Der von Duclos beschriebene Wesenszug hielt Assad ab 2011 an der Macht. Bis da hatte der Westen ihn für einen Reformer gehalten. Dieser Trugschluss war hinfällig, als Assad rücksichtslos das Militär gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzte.

Russlands «schützende» Hand

Als 2011 der Arabische Frühling in Syrien gewaltsam niedergeschlagen wurde, kam es zum Bürgerkrieg. Die USA und die EU forderten deshalb Assads Rücktritt – aber Russland stellte sich quer.

Assads Machtpoker auf Play SRF

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Noch dreizehn Jahre gelingt es Assad ab 2011 nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs, an der Macht zu bleiben. Bis im Dezember 2024, als eine Allianz von Rebellen innert nur zehn Tagen nach Damaskus vordringt, bis in den Präsidentenpalast. Assad gelingt die Flucht. Was genau ist geschehen? Wie ist der Diktator vorgegangen, um sich über all die Jahre halten zu können? Und welche Akteure und Ereignisse haben das langjährige Machtgefüge am Ende verschoben? Diesen Fragen geht Filmemacher Antoine Vitkine in «Baschar al-Assad – Aufstieg und Fall des syrischen Diktators» nach. Dieser Dokumentarfilm kann bis am 26. Juni diese Jahres auf Play SRF gestreamt werden.

Als für Syrien später auch noch der Iran als Schutzmacht hinzukam, hatte Assad für seinen opportunistischen Machtpoker alle Karten beisammen. Jahrelang spielte er die involvierten Mächte mit den immer gleichen Argumenten gegeneinander aus:

  • Russland: «Leistet mehr Hilfe, sonst werde ich vom Iran kontrolliert.»
  • Iran: «Leistet mehr Hilfe, sonst bin ich abhängig von Russland.»
  • Golfstaaten: «Gebt mir Geld, dann ich distanziere ich mich vom Iran.»
  • Westeuropa: «Einzig Geld für Syriens Wiederaufbau verhindert die nächste Flüchtlingswelle.»
  • USA: «Ihr müsst in Sicherheitsfragen kooperieren, denn wir bekämpfen die Terroristen und den IS.»

Syrien lag längst in Trümmern, als sich das Coronavirus ab 2020 wie ein Lauffeuer im Land verbreitete. Die Hälfte aller Leute hatte ihr Zuhause verloren, 80 Prozent der Bevölkerung lebte von weniger als zwei Dollar pro Tag, und Hungersnot war ein Dauerzustand.

Langer Schrecken, kurzes Ende

Eben diese humanitäre Katastrophe ist der Nährboden für eine erneute Revolte. Schliesslich wird Assad von jenem Chaos verschlungen, das er selbst initiiert hat und so lange zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat.

Im September 2024 ergibt sich Assads Armee innerhalb von nur zehn Tagen, besiegt von dschihadistischen Kämpfern, Oppositionellen der ersten Stunde und durch die Türkei unterstützten Rebellen.

Als seine Feinde am 7. September 2024 auf Damaskus zusteuern, flieht Assad – mitten in der Nacht, ohne auch nur seine engsten Gefährten vorzuwarnen. Ihm und seiner Familie gewährt man in Russland ein komfortables Exil.

Assads Angst vor Blut

Assad hinterlässt ein Land am Abgrund – zwar befreit, aber bedroht von Islamisten, Terror und einem Bürgerkrieg, der von ausländischen Mächten angeheizt wurde. Und doch erwacht Syrien hoffnungsvoll aus diesem jahrelangen Alptraum.

Angesichts der rohen Brutalität, mit der Assad all die Jahre hinweg seine Macht abgesichert hat, mutet es fast ironisch an, was er eigentlich von Beruf war: Assad studierte Medizin und wurde Augenarzt – weil er den Anblick von Blut nicht ertrug.


SRF info, 28.4.2025, 20:05 Uhr ; 

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