Spirituelle Praktiken sind gerade ein Megahype. Auf Tiktok und Co. boomen Inhalte zum Thema Manifestieren, moderner Hexerei oder Astrologie. Zeit, einen genaueren Blick darauf zu werfen.
#Witchtok: Moderne Hexerei
«SRF Impact» besuchte Stefanie, die sich als magisch Praktizierende bezeichnet. Seit sie denken kann, kann sie Energien lesen und spürt eine enge Verbindung zu Toten. Von ihren magischen Fähigkeiten ist sie überzeugt, SRF-Impact-Reporterin Amila Redzic ist jedoch bis zum Schluss skeptisch – sie spürte den Hausgeist nicht und kann im rohen Ei keine Zukunft herauslesen.
Heute verdient Stefanie ihr Geld mit spirituellen Ritualen. Dabei setzt sie ihren Fähigkeiten klare Grenzen: Von Schadenszauber lässt sie die Finger und bei gröberen Problemen, leitet sie ihre Klienten an Psychologen weiter.
«Good Vibes Only» verdrängt den «Deep Talk»
Wenn man einen Satz wieder und wieder repetiert, wird er zum Mantra und zu einer spirituellen Routine. Ein solcher Satz ist «Good Vibes Only». Über diesen stolpert man gleichermassen auf Instagram und Wandtattoos. Genügend verinnerlicht, soll so alle Negativität aus dem Leben verschwinden. «SRF in Progress» setzt sich mit jungen Passanten an den Klapptisch und diskutiert.
«Einfach fake» findet Sam diese Einstellung: «Niemand macht mehr Deep Talk, man will nur noch, dass es oberflächlich nach dem perfekten Leben aussieht». «Instagram fördert das extrem», sagt Chris, «man verkörpert etwas anderes, als dass man es eigentlich ist». Eine weitere Befragte hat vor allem ein Problem mit dem «Only» bzw. dem «Nur». Emotionen würden sich gerade nicht schwarz weiss verhalten.
Manifestieren: Glück durch Gedankenkraft?
Man stellt sich seinen grossen Wunsch visuell vor, wiederholt ihn immer wieder und tut so, als hätte er sich bereits erfüllt, bis er tatsächlich wahr wird. So funktioniert Manifestieren. Die «Sternstunde Philosophie» hat hinter den Megatrend geschaut. Aus psychologischer Sicht habe das positive Denken seine Legitimation im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung, sagt Psychologin Ann-Kristin Tlusty . Doch was als Naturgesetz verkauft wird, stimme so einfach nicht. Gedanken würden sich nicht in Realitäten materialisieren – besonders nicht, wenn man sich ein teures Auto manifestiert.
Manuel Schmid, Theologe und Philosoph, sieht im Manifestieren eine Antwort auf eine kollektive Ohnmacht. Immer mehr können mit Religionen nichts mehr anfangen, doch dadurch entsteht ein Vakuum. Dieses werde mit einem Glauben an eine höhere Macht, fernab von Institutionen gefüllt – sei es das Schicksal, Magie oder die Sterne.
Astrologie als Glaubensersatz
«Astrologie ist eine tolle Möglichkeit, wenn man an nichts anderes glaubt», sagt ein junger Astrologie-Fan gegenüber «SRF Impact» . Die Psychologin Stefanie Karrer bestätigt diese Beobachtung: «In einer Zeit, in der junge Menschen sich immer weniger einer Religion zugehörig fühlen, die jedoch gleichzeitig von Unsicherheiten geprägt ist, kann Astrologie als Glaubensersatz funktionieren und Sicherheit geben.»
Auch das Daten wird immer mehr von Sternzeichen dominiert. Die Angabe des Sternzeichens hat längst die Religionszugehörigkeit überholt. Auf Tinder hat man, wenn man das Sternzeichen angibt, über 80 Prozent mehr Matches. Gerade die Online-Datingwelt könne überfordernd sein, so die Psychotherapeutin Ramona Zenger. Sternzeichen würden bestätigen, dass man sich auf die richtige Person einlasse.