Mit Christa de Carouge hat die Schweiz 2018 eine Stilikone und Modedesignerin mit unverwechselbarer Handschrift verloren. Journalistin Cornelia Kazis erinnert im Gespräch an die Grande Dame der Schweizer Mode.
Sie kannten Christa de Carouge persönlich. Können Sie sie für uns beschreiben?
Cornelia Kazis: Sie war als Mensch und als Designerin ein Original. Ich kannte Christa de Carouge seit 20 Jahren. Zum letzten Mal hatte ich sie im Dezember 2017 gesehen, im Zuger Kunsthaus. Dieses widmete ihr eine grosse Ausstellung.
Sie hat dort mit ihren 81 Jahren durch die Ausstellung geführt, schwarz und höchst raffiniert gewandet, wie immer. Mit einer an einen östlichen Mönch erinnernden Frisur erklärte sie den Leuten, was ihr wichtig war.
Und das in einer sehr einfachen, fast schon bodenständigen Sprache, die in grossem Kontrast steht zu ihren Kreationen.
Christa de Carouge war immer eine Stilikone, ohne nur annähernd schlank zu sein, ohne jung zu sein, ohne geschminkt zu sein und ohne schön zu sein. Das an sich ist schon ein Kunstwerk.
Sie war eine entschlossene Person mit einer grossen kulinarischen Vorliebe für gute Würste, eine Frau mit profunder Kenntnis asiatischer Kultur und durch und durch helvetisch in ihrem Habitus. Eine grosse Persönlichkeit.
Was war das Besondere an ihren Kleidern?
Ihre Kleider sind nicht Kleider, sondern eher Hüllen. Man trägt ihre Kleider nicht, man wohnt in ihnen. Es sind Gewänder. Alltagstaugliche Gewänder aus raffinierten Stoffen, häufig plissiert.
Alltagstauglichkeit war ihr sehr wichtig. Man kann alles in die Waschmaschine werfen, aufhängen und gleich wieder anziehen. Alle Kleider sind innen genauso schön wie aussen. Wenn man ein Stück kauft, hat man gleich zwei, man kann es so oder umgekehrt tragen.
Die Schneiderkunst hat Christa de Carouge bei ihrer Mutter, einer Schneiderin, schon sehr früh gelernt. Die Mutter hatte bis sie fast 90 war im Unternehmen Carouge genäht.
Christa de Carouge war immer immun gegen Trends. Modeströmungen interessierten sie kaum. Sie ging konsequent ihren gestalterischen Weg, fasziniert von der Grundform des Kimonos und von mönchischer Reduktion.
Ihre Kleider waren immer schwarz. Weshalb?
Schwarz war ihr Markenzeichen. Zwar hat sie durchaus mit Rot, Ecru oder Weiss experimentiert, aber Schwarz war ihr das Allerliebste. Weil sich das Licht so gut verfängt im Dunkeln, in den Falten der Stoffe.
Christa de Carouge ist so gestorben, wie sie es sich gewünscht hat: rasch und aus dem prallen Leben heraus.
Schwarz bringt die Person ans Licht. Auch das ein Aspekt, der ihr immer wichtig war. Schwarz als Wesentlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes. Aber das hätte sie selber so nie gesagt. Sie hätte wahrscheinlich zürcherisch gesagt: «Es isch eifach läss!»
Christa de Carouge ist nicht mehr da – was fehlt ohne sie?
Es fehlt eine bedeutende Künstlerin, die ganz ohne feministische Ambition ein neues Frauenbild geschaffen hat. Es fehlt eine unverwechselbare Designerhandschrift.
Es fehlt eine konturierte Frau, die unbeirrbar ihren Weg ging, die sich selbst und ihrer eigenen Handschrift treu blieb. Es fehlt ein Genussmensch, der Kleider geschaffen hat, die eine Ausstrahlung von Askese haben. Es fehlt Christa de Carouge.
Es gibt aber einen zweifachen Trost. Erstens hat sie sich immer mit der eigenen Endlichkeit beschäftigt und schon vor Jahren die talentierte Designerin DE NIZ zu ihrer Nachfolgerin erkoren. Es geht also weiter mit ihrem Stil. Und zweitens ist Christa de Carouge so gestorben, wie sie es sich gewünscht hat: rasch und aus dem prallen Leben heraus.
Das Gespräch führte Caroline Lüchinger.