«Von Peru aus (...) segelten wir über den Pazifischen Ozean in Richtung China und Japan, wir hatten Nahrungsmittel für zwölf Monate an Bord. Mehr als fünf Monate lang herrschten leichte und sanfte Winde. Aber dann frischte es auf.»
So beginnt Francis Bacon sein Werk «Neu-Atlantis». Es ist die Geschichte einer Reisegruppe, die es unverhofft in die Zukunft verschlägt. Die Segler sind unterwegs nach Fernost, werden dann aber nach Norden abgetrieben. Bald haben sie kein Essen mehr. Doch mit viel Glück können sie sich gerade noch auf eine Insel retten, eine besondere Insel namens Bensalem.
Bacons Programm: Fortschritt dank Forschung
Die Menschen auf dieser Insel sind gütig und vernünftig. Es herrscht Frieden und das Land floriert, auch dank einer besonderen Einrichtung: dem Haus Salomon. Eine Forschungsstation, wo Wissenschaftler allen möglichen Fragen nachgehen und alle möglichen neuen Dinge erfinden.
Da gibt es Gesundheitslabors, Versuchsgärten, Zoologische Gärten, Wetterforschungsanstalten, mathematische Institute, mechanische Werkstätten und so weiter. Heute kennen wir all das von Hochschulen und Akademien, damals aber waren solche Einrichtungen etwas ganz Neues.
Francis Bacons Ziel war eine moderne Wissenschaft. Er forderte Experimente und Beweise statt rein theoretische Betrachtungen. «Er wollte nicht einfach nachvollziehen, was man schon wusste, sondern sich auf unbekanntes Gebiet wagen», sagt der Wissenschaftsforscher Wolfgang Krohn von der Universität Bielefeld. Francis Bacons Ziel war es, die Gesetze zu finden, nach denen die Natur funktioniert. Dazu müsse man die Natur genau beobachten und auf die Probe stellen, immer und immer wieder.
Genau das tun die Forscher des Hauses Salomon. Sie experimentieren, was das Zeug hält. Und zwar tun sie das völlig frei. «Der König hat sich da überhaupt nicht einzumischen», sagt die Philosophin Ursula Pia Jauch von der Universität Zürich. In einer Zeit, in der Forscher oft für die Mächtigen arbeiteten , war das eine mutige Vision.
Von der Utopie zur Realität
Auf Bensalem ist Forschung Trumpf. «Der Staat finanziert damit einen Unruheherd mitten in der Gesellschaft», sagt Krohn. Denn aus der Forschung können alle möglichen Ideen in die Gesellschaft hinein vagabundieren. Das kann auch negative Folgen haben, denken wir etwa an die Atomkraft oder den Klimawandel. Francis Bacon hingegen dachte vor allem an das Gute. Für ihn war die Forschung ein Quell des Fortschritts.
«Neu-Atlantis» bringt Francis Bacons Vision auf den Punkt. Es ist zwar ein schmales Büchlein, es hatte aber eine grosse Wirkung. So führte es ziemlich direkt zur Gründung der Royal Society, einer der ersten naturwissenschaftlichen Akademien.
Aus der Taufe gehoben wurde diese Akademie von Forschern, die Francis Bacon verehrten. «Sie zitierten ihn die ganze Zeit als Autorität», sagt Steven Shapin, Wissenschaftshistoriker von der Universität Harvard. Nach dem Vorbild der Royal Society entstanden in Europa viele weitere wissenschaftliche Akademien. Es scheint, als sei die Welt damals – im Frühbarock – bereit gewesen für die moderne Wissenschaft.
Heute ist Francis Bacons Traum wahr geworden. Die Zivilisation im Westen hat ziemlich genau den Kurs eingeschlagen, den sich der Philosoph in seiner Wissenschaftsutopie ausgemalt hat. Dabei sind allerlei nützliche Dinge herausgekommen, von der Dampfmaschine bis zum Antibiotikum. So friedlich wie auf Bensalem ist dieser Fortschritt allerdings nicht vonstatten gegangen.