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Barock – mon amour Barocke Malerei überwältigt mit religiösem Pathos

Als die Reformatoren christliche Bilder aus den Kirchen verbannten, steuerten die Katholiken dagegen. Maler wie Caravaggio trieben die Kunst der Heiligendarstellung auf die Spitze. Im Barock entstanden Meisterwerke, die auf die unmittelbare Emotion abzielen. Diese Methoden sind heute noch modern.

Sie verwirren, tricksen, lassen uns demütig in die Knie fallen. Sie betören und manipulieren unsere Sinne auf allen Ebenen. So unterschiedlich die Werke von Caravaggio oder Giovanni Lorenzo Berninis Skulptur der Heiligen Theresa sein mögen – sie alle zielen auf die unmittelbare Emotion des Betrachters. Das ist kein Zufall.

Bilderstürme der Reformation

Ein Blick in die Zeit vor rund 500 Jahren hilft weiter. Die Reformation, die durch Martin Luther zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutschland ihren Anfang nahm, verunsicherte die christliche Kirche in ihren Grundfesten. In den protestantischen Gegenden entwickelte sich eine Kultur des Wortes und des Ohrs: Evangelische Kirchen rückten die Verkündigung, die Predigten und zunehmend Musik und Kirchenlieder ins Zentrum. Gleichzeitig tobten in vielen protestantischen Gebieten Bilderstürme, gerade auch in der Schweiz unter Anleitung von Zwingli und Calvin: Auf Geheiss von reformatorischen Theologen wurden Skulpturen, Heiligenbilder, Altäre und Gemälde aus den Kirchen entfernt und vernichtet.

Gläubige wollen sehen, was sie anbeten

Auf einem Ölgemälde sieht man links Jesus mit halb entblösstem Oberkörper, Thomas greift mit einem Finger in dessen Wunde.
Legende: Michelangelo Merisi da Caravaggio: «Der ungläubige Thomas», 1601/02. Potsdam, Bildergalerie Schloss Sanssouci. Wikimedia/scan

Mitten in dieser verworrenen Zeit, aber fast 30 Jahre nach dem Thesenanschlag durch Luther, eröffnete der damalige Papst 1545 das Konzil von Trient. Das Konzil sollte auf die Reformation eine Antwort finden. Doch der Versuch, die Kircheneinheit wieder herzustellen, scheiterte. Somit zielten die Beschlüsse des Trienter Konzils auf eine scharfe Abgrenzung der Papstkirche zu den Kirchen der Reformation: Die Gegenreformation war erfunden. Und Gläubige sollten auch weiterhin Heiligenbilder verehren dürfen. Ihnen sollte auf sinnliche Weise gezeigt werden, was sie anbeten.

Kirche und Königshäuser als Auftraggeber

Der Rest ist Kunstgeschichte: Finanzstarke Auftraggeber aus Kirche und Königshäusern finanzierten geniale Künstler, zuerst in Italien, dann in Spanien. Von dort breitete sich der Barock in ganz Europa aus, überall verband er sich mit den vorherrschenden lokalen Traditionen. Er war die erste globalisierte Kunstbewegung. So eindeutig die barocke Kunst in den katholischen Zentren entstand und gefördert wurde, mit der Zeit eroberte sie auch protestantisch geprägte Regionen – und emanzipierte sich vom direkten Einfluss der Kirchen.

Kampf um Aufmerksamkeit

Die Innenansicht einer Kirche mit hölzernen Bänken und üppig verzierten Decken.
Legende: Blick in den barocken Chorraum des Petersdoms in Rom. Wikimedia/Stefan Bauer

Noch immer lässt sich der demütige religiöse Schauer damaliger Gläubiger erahnen, steht man vor den Gemälden Caravaggios oder im Petersdom. Doch viel stärker besticht der Barock heute, weil er mit so raffinierten Methoden unsere Aufmerksamkeit zu fesseln vermag, von allen Seiten her: emotional, unmittelbar nah. Eine vieldimensionale Technik der Überwältigung, eine grandiose theatrale Inszenierung des Sinnlichen.

Kommt uns das nicht bekannt vor? Auch heute werden wesentlichen Auseinandersetzungen auf dem (Medien-)Schlachtfeld mit Bildern ausgefochten. Bilder, die an Gewalt und Drastik kaum zu überbieten sind. Man denke zum Beispiel an die aktuelle IS-Propaganda. Die Methoden des Barock als Vorläufer von modernen, digitalen Bildfluten und virtuellen 3D-Welten? Digitaler Barock der Gegenwart, könnte man sagen. In manchen Fällen sogar inklusive religiös-propagandistische Absicht.

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