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Das digitale Ich Ein Jahr nach der NSA-Affäre: Was ist geblieben?

Ein Jahr ist es her, seit Edward Snowden öffentlich machte, dass die NSA die halbe Welt ausspioniert. War dies der Akt eines überzeugten Demokraten, der sich aus Sorge um sein Land über seine Regierung stellte? Oder war es Grössenwahn und Narzissmus, unterstützt allenfalls durch russisches Geld?

Im Juni 2013 machte der NSA-Mitarbeiter Edward Snowden streng geheime Dokumente über das US-amerikanische und das britische Überwachungsprogramm öffentlich. Damit trat er eine Lawine los. Zwei Monate später bekam der Whistleblower Asyl in Russland. Was waren Snowdens Motive, was hat er mit seinen Enthüllungen erreicht, und wie sieht seine Zukunft aus?

Technologie- und Wirtschaftsjournalist Thomas Ramge, Autor des Buches «Data unser» hat den «Fall Snowden» von Beginn an aufmerksam verfolgt.

SRF: Vor einen Jahr hat Edward Snowden, ein junger, gescheiter, vielversprechender Geheimdienstmann verraten, wie die NSA die halbe Welt ausspioniert. Was ist heute davon geblieben?

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Vor einem Jahr machte Edward Snowden publik, dass der US-amerikanische Geheimdienst NSA das Internet systematisch überwacht. In unserer Umfrage möchten wir wissen, was diese Enthüllungen bewirkt haben.

Thomas Ramge: Edward Snowden hat damit zunächst global das Bewusstsein dafür verändert, wie einfach es für die Geheimdienste ist, in die Privatsphäre von Bürgern einzudringen. Das konnten Geheimdienste früher auch schon – die Stasi hat ohne Computer die Bürger der DDR ausspioniert – aber Snowden hat aufgezeigt, dass dies heute in einer Unauffälligkeit und in einem Ausmass geschehen kann, wie es den meisten vorher nicht klar war. Und dass dies ein Nebeneffekt der digitalen Revolution ist.

Auf politischer Ebene hat die Affäre nicht viel bewirkt. Es ist nicht zu erkennen, dass die amerikanische Regierung einen grundsätzlichen Richtungswechsel vorgenommen hätte. Es ist sogar davon auszugehen, dass diese trotz allen Enthüllungen genauso weitermachen.

Eigentlich müsste ihm jeder demokratische Staatschef der Welt dankbar sein und applaudieren. Warum passiert das nicht?

Nun ja: Snowden bekam Zustimmung von vielen Seiten: Er wurde zum Beispiel in Skandinavien sehr für seine Taten gelobt. Er wurde auch für den Friedensnobelpreis nominiert – immerhin. Und hinter vorgehaltener Hand sagen vermutlich viele Staatschefs, die den USA verbunden sind, dass sie im Grunde froh sind: Jetzt wissen sie, wie stark sie auch selbst im Visier der amerikanischen Geheimdienste sind. Gegen aussen sind sie jedoch zurückhaltend. Insbesondere was die konkrete Unterstützung der Person Edward Snowden angeht: Da gilt dann eher das Diktum «Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.»

Warum tat Edward Snowden das? Was hat er für eine Mission?

Edward Snowden ist der Meinung, dass die Geheimdienste in seinem Land ausser Kontrolle geraten sind. Und dass er selbst nicht in einem Überwachungsstaat leben möchte. Das, was er gesehen hat an Überwachungsaktivitäten der amerikanischen Geheimdienste gegen das eigene Volk, entsprach nicht dem Auftrag der Verfassung. Und deswegen, hat er gesagt, müsse er einen Akt zivilen Ungehorsams begehen und das Gesetz brechen. Um zu verhindern, dass die Amerikaner von ihren eigenen Geheimdiensten ausspioniert werden.

Wie ist Snowden einzuordnen: Ist er ein Linker, ein Demokrat, ein Patriot?

Video
Edward Snowden im Interview mit US-Sender (englisch)
Aus News-Clip vom 29.05.2014.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 38 Sekunden.

Snowden selbst sieht sich klar als Patriot, das hat er auch kürzlich in einem grossen Fernsehinterview betont. Er sagt, er sei ein Patriot, der dafür sorgen möchte, dass die Geheimdienste wieder in ihre, von der Verfassung gesetzten, Rolle zurückkehren.

Jetzt im Juni 2014 wissen wir: Edward Snowden lebt irgendwo in der Nähe von Moskau. Was weiss man sonst noch über ihn und seinen Alltag? Über seine Pläne?

Im Grunde muss Snowden abwarten, ob es nicht ein anderes Land gibt, in das er ausreisen darf, in dem er nicht in Gefahr läuft, an die USA ausgeliefert zu werden. Er hat gesagt, dass er sehr gerne nach Brasilien ziehen würde.

Es gilt als ziemlich sicher, dass es ihm nicht angenehm ist, ausgerechnet in Russland zu sitzen. Sein Selbstverständnis ist klar das eines Whistle Blowers und nicht das eines übergelaufenen Spions. Es wäre ihm viel lieber, wenn er aus einer neutralen Position, aus einem neutralen Land – vielleicht auch am liebsten sogar aus der Schweiz – heraus sagen könnte: Das, was ich mache, ist ein selbstloser Akt, den ich für mein Vaterland vollbringe. In der Hoffnung, dass dieses nicht noch weiter in Richtung Überwachungsstaat schlittert.

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