Die Macher des «Freitagsmagazins» übertreffen sich selbst: Schmissige Musik, ironischer Ton, ein Wortspiel jagt das nächste: Der «Suuber-lativ» ist nur der Anfang. Wenn ein Blumenkübel zur Dekoration herbeigekarrt wird, dann «wird der republikanische Baum der Erkenntnis herbeigeschleppt.» Wenn die Zofe auftaucht, die alle Blumen für Gracia Patricia in Empfang nimmt, dann frotzelt man: «Von Beruf ist sie also Vase.»
Endlich mal ein unkomplizierter Staatsbesuch
Der Aufmarsch von Offiziellen und Bevölkerung ist gewaltig. Woher diese Begeisterung, die gelöste Stimmung im republikanischen Bern bei Ankunft der monegassischen Aristokratie? Die NZZ vom 12.11.1960 weiss, wieso:
«Unser nüchternes republikanisches Staatswesen, allem äusserlichen Gepränge abhold, erlebt nur selten Staatsempfänge dieser Art. Mit um so grösserer Freude werden deshalb Gäste begrüsst, deren Besuch, von keiner politischen Begleitmusik umgeben, eine einfache Geste der Freundschaft unserem Land gegenüber sind.»
Ein Charme der jedermann verzaubert
Die beschriebene Geste der Freundschaft geht schon ein paar Jahre, wenn sie auch rein privater Natur ist: Rainier und Gracia Patricia sind mit ihren Kindern immer wieder in Schönried in Skiferien. Der Besuch 1960 ist der erste offizielle Staatsbesuch. So wenig wichtig und stark die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auch sein mögen, ja so gross die Unterschiede der Staatsformen auch sind – «hie Republik, hie Monarchie» –, so verbunden scheint man doch zu sein.
Die NZZ macht dafür die Liebe zu Traditionen beider Länder aus: Bei den Grimaldis, einem der edelsten Geschlechter Genuas, gehe «der Anspruch auf Monaco auf das Jahr 980 zurück». Tradition verbinde eben. Und abgesehen von alledem sei die Sympathie der republikanischen Schweizer und Schweizerinnen nicht zuletzt in der Sympathie für die Person des Fürsten Rainier zu suchen und in der für seine Frau, Fürstin Gracia Patricia, «deren angeborener Charme jedermann bezaubert, der ihr begegnet».
Und heute?
Von heute aus gesehen ist dieser Staatsbesuch an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Rainier und Gracia Patricia sind ein paar Tage vorher in Genf gelandet, haben den Kanton Neuenburg besucht und in Bern eine Ausstellung über Monaco eröffnet.
Was die NZZ beschreibt, das Ganze sei «nicht von politischer Begleitmusik umgeben», ist eine Anspielung auf den historischen Kontext des Jahres 1960. Dieses Jahr 1960 ist ein turbulentes: Über Russland wird ein amerikanisches Flugzeug abgeschossen, der Mossad ergreift Eichmann, in der UNO-Vollversammlung trommelt Chruschtschow mit seinem Schuh aufs Pult, bis Ruhe ist. Frankreich macht Atomtests in den afrikanischen Kolonien und an der innerdeutschen Grenze wird schärfer kontrolliert.
1960 werden Weichen gestellt. Es ist das sogenannte «afrikanische Jahr»: 18 Staaten werden unabhängig von ihren Kolonialmächten. Ein Kontinent bebt. Weltpolitisch ist die Lage angespannt. Die grösste kommunistische Internationale versammelt sich in Moskau – und in exakt derselben Woche bekommt die Schweiz Besuch aus Monaco. Da ist für ein paar Tage diplomatisch mal keine Gefahr im Verzug, Verschnaufpause, die Schweiz ist eine Insel, auch von der Stimmungslage her.
Die Queen des Stils
Die Hochzeit von Grace Kelly und Fürst Rainier ist das Medienereignis der späten 1950er-Jahre mit 100 Millionen Zuschauern weltweit. Eine Traumhochzeit. Die beiden sind der Inbegriff von Glück. Erst Jahre später wird man erfahren, dass es hinter den Kulissen anders ist. Aber jetzt, Anfang der 1960er, ist alles noch ungetrübt: Wenn das Fürstenpaar einen Bummel durch Lausanne macht, ist die Altstadt mit Menschen voll gespickt, die in diskretem Abstand, aber doch schwerlich zu übersehen, folgen. Es ist nicht nur Gracia Patricias Schönheit, die zu alledem beiträgt.
Sie hat etwas, das in Vergessenheit geraten ist: Man nennt es Klasse, Anmut. Von heute aus gesehen ist sie, was Stil, Ausstrahlung und Eleganz angeht, die Queen. Ihr früher, bis heute ungeklärter Tod hat zur Legende beigetragen. Nicht miterlebt hat sie eine – sagen wir es diplomatisch – illustre Verwandtschaft, in der nicht jeder Prinz ihr das Wasser zu reichen vermag. Sie selbst, weder Aristokratin noch Staatsfrau, füllt beide Rollen aus, sie überstrahlt vieles, unerreicht.