«Ich möcht ein Clown sein» sang er in einem seiner Programme, das war seine hohe Kunst der Tiefstapelei, denn er war weit mehr als ein Clown - für Generationen, die er geprägt hat. Hanns-Dieter-Hüsch-Abende waren weltliche Ersatz-Messen, Hochämter des Humanismus, als der noch nicht kaltlächelnd als Relikt aus überholten Zeiten durch den neoliberalen Kakao und Sonstiges gezogen wurde.
Die seitlich Umgeknickten
53 Jahre stand er auf der Bühne, mehr als 70 Soloprogramme, er füllte Hallen, Aulen, Audimaxe, keine Adresse war ihm zu weit ab vom Schuss, im deutschsprachigen Gebiet dürfte jedes Kaff mit einem Saal von ihm bespielt worden sein. «Ich sing für die Verrückten, die seitlich Umgeknickten, die eines Tags nach vorne fallen und unbemerkt von allen, sich aus der Schöpfung schleichen, weil Kraft und Trost nicht reichen». Das war damals seine Liebeserklärung an die «looser», wie man heute neudeutsch sagen würde. An die, die nicht wissen, wie siegen geht.
Er kam vom Niederrhein, alles an ihm sei niederrheinisch, sagte er einmal und er war doch alles andere als ein Provinzler, denn Provinz ist eine Haltungsfrage, keine geografische. Er hatte eine Heimat und die war nicht zu verleugnen, sie war sein Kapital.
Niederrhein ist überall
Seine Sympathie galt den «kleinen Leuten», das war keine kalkulierte Anbiederung, es war ernst gemeint, er kam aus dem Milieu der «einfachen Leute» und es war seine beliebteste Perspektive: die von links unten.
Seine Themen waren die grossen Sorgen des kleinen Alltags. Kunstfiguren erfand er, die er jahrzehntelang mit sich herumtrug und in denen er immer wieder Privates verwertete. Seine erste Frau ist die Vorlage für die «Frieda-Geschichten» und die funktionierten auch in der Schweiz hervorragend, denn Niederrhein ist scheinbar überall.
Das war alles nicht welt- aber menschenbewegend, es war genau beobachtet und mit einem liebevollen Blick in aller Tragik beschrieben und gekonnt dargestellt von einem der Autor, Kabarettist, Synchronsprecher, Alleinunterhalter, Hammondorgelspieler in Personalunion war und für den sich keine andere Schublade als «literarischer Kabarettist» oder gar «Poet» finden liess. Letzteres trifft es, er operierte in der poetischen Unschärfe, wozu soll man auch Dinge explizit sagen, wenn man sie umschreiben kann.
Wenn man nichts mehr tun muss, ist es Realsatire
Mehr zu Hanns Dieter Hüsch
Und in aller Unschärfe traf er doch vieles sehr genau, denn er hörte hin. Mit ihm kam das Wort «Realsatire». Er zitiere nur, was er höre, sagte er und auch das war wieder tief gestapelt, denn es ist nicht nur genau gehört, sondern es ist auf der Bühne präzis gestaltet und komponiert, Sprache und Musik gehörten für ihn eh zusammen, das verband ihn mit den von ihm so verehrten Thomas Bernhard und Jakob van Hoddis.
Die den Verstand verloren hatten, die interessierten ihn wie Robert Walser, denn den Verstand zu verlieren, schien ihm beizeiten die angemessenste Reaktion.
Im Abstand der Jahre bleibt Hüsch der Poet, der Weltverbesserer, der Humanist. Manchem mag das veraltet vorkommen, verstaubt - diese Schnittmenge aus Bergpredigt und der Idee vom Sozialismus als einem gerechteren sozialen Miteinander. «Gut-Menschen-Folklore» würden Einige sagen! Aber das geht wohl kaum «das schwarze Schaf vom Niederrhein» etwas an, es beschreibt, wie sehr und zynisch Werte, die Hüsch repräsentierte, aus dem täglichen Leben verschwunden sind.