- Das Prinzip des Persönlichkeitsgesetz: Niemand darf ungerechtfertigt an den Pranger gestellt werden.
- Bei Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses sind die Grenzen weiter gesteckt, müssen aber immer wieder neu definiert werden.
- Das Internet macht es einfacher, Leute an den Pranger zu stellen – eine juristische Korrektur des Gesetzes ist aber gemäss Bundesgericht derzeit nicht nötig.
Zu Unrecht mit Namen genannt?
Aufhänger für den Bericht im «CH-Magazin» war der Fall eines Vermieters, der überhöhte Heizkosten auf seine Mieter abwälzte. Die Geschichte wurde in der Sache vom Vermieter nicht bestritten. Er verlangte jedoch eine Gegendarstellung, weil er mit Namen genannt wurde. Wie das?
Jede Facette der Persönlichkeit schützbar
Jurist Peter Studer war damals Chefredakteur des Schweizer Fernsehens und sass «als einer von zwei Journalisten» in genau der Kommission, die über die Revision des Persönlichkeitsschutzes beriet.
Er sagt, zivilrechtlich sei «jede Facette der Persönlichkeit schützbar», so stehe es im Zivilgesetz, auch das Ungenanntsein in der Öffentlichkeit.
Strafrechtlich sei das anders: Man könne nur Gerichtsschutz erhalten, wenn man im Kern der Persönlichkeit verletzt wurde, zum Beispiel, wenn einem eine Straftat oder unehrenhaftes Verhalten unterstellt wird, also Rufmord betrieben wird.Im Fall des Vermieters: Er war keine Person des öffentlichen Interesses. Der Fall durfte beschrieben, sein Name aber nicht genannt werden.
Und heute?
«Das Gesetz ist 1985 verschärft und später noch durch das Datenschutzgesetz und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergänzt worden», sagt Studer.
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Prinzipiell gilt, ungerechtfertigt darf niemand an der Pranger gestellt werden. Bei Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses sind die Grenzen weiter gesteckt, aber auch da sind Grenzen.
«Die Fürstenfamilie aus Monaco hat immer wieder – teils erfolgreich – gegen deutsche Verleger geklagt, weil private Fotos ohne Einwilligung an die Öffentlichkeit kamen. Auch Promis haben ein Anrecht auf Privatsphäre. Dies gilt im besonderen für deren Kinder», sagt Studer.
«Bundesrat Moritz Leuenberger hat sich einmal Urlaubsfotos medienethisch verbeten, mit der Begründung: Er gehe auch deshalb in Ferien, um einmal medial seine Ruhe zu haben.»
Absolute und relative Zeitgeschichte
In Deutschland unterscheidet man zwischen Personen der absoluten und der relativen Zeitgeschichte. Das Schweizer Bundesgericht ist dem lange gefolgt.
«Die Queen und Roger Federer sind Personen der absoluten Zeitgeschichte und müssen sich viel gefallen lassen. Ein unbekannter Delinquent ist jedoch nur zeitweise von Interesse und muss vor Gericht – nach der Strafverbüssung erst recht – vor Namensnennung in Ruhe gelassen werden. Das öffentliche Interesse ist dann nicht mehr gegeben», sagt Peter Studer.
Öffentliches Interesse laufend neu definieren
Da sei gerade einiges im Umbruch. Studer verdeutlicht das am Beispiel des Alt-Bundesrates Adolf Ogi. Dieser war lange eine Person der absoluten Zeitgeschichte. Er hat sich aber zurückgezogen. Studer sagt: «Man muss das öffentliche Interesse an einer Person laut Bundesgericht immer wieder neu definieren. Es kann nicht sein, dass ein öffentliches Interesse lebenslänglich gilt.»
Der Hass im Netz
Danach gefragt, ob in Anbetracht der Hasskommentare im Netz nicht juristisch nachgebessert werden müsse, sagt Studer: «Das Bundesgericht sagt, das hält noch eine Zeit.» Aber die EU werde da vorausgehen.
Es sei eine derartige Überflutung von Geschmacklosigkeiten und verletzenden Äusserungen, dass man gegen sie vorgehen müsse. Einiges sei zwar durch das Gesetz gegen Stalking gedeckt, das sei aber jeweils schwer nachzuweisen.
Ein rhetorischer Trick
Wird jemand mit Hasskommentaren und Morddrohungen förmlich zugeschüttet, kann der Absender immer sagen, er habe es nicht so gemeint.
Dieser rhetorische Trick wird auch von Populisten eingesetzt. In Amerika bezeichnet man das als «Dog-whistle politics». Man pfeift – und sagt dann, man habe es nicht so gemeint. Die Meute hat es aber gehört.