-
Bild 1 von 4. In Lausanne feiern die Menschen das Kriegsende auf der Strasse, mit Flaggen der alliierten Streitkräfte. Bundesrat und Kirchen hatten zu einer ruhigen Feier aufgerufen, vor allem in der Romandie feierte die Bevölkerung jedoch sehr ausgelassen. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 2 von 4. Trubel auf der Münsterbrücke in Zürich: Auch hier nutzt die Bevölkerung den freien Nachmittag und die sommerliche Witterung für spontane Volksfeste, im ganzen Land läuten die Kirchenglocken. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 3 von 4. Friedensglocken am Abend des 8. Mai 1945: Soldaten lauschen vor einer kleinen Kirche in einem Dorf im Aargau dem landesweiten viertelstündigen Glockenläuten zur Feier des Endes des Zweiten Weltkrieges. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 4 von 4. «La guerre est finie»: Ein Zeitungsverkäufer in Lausanne, in der Hand die Fähnlein der alliierten Streitkrafte und der Schweiz, verkauft die Abendausgabe des «Feuille d'avis de Lausanne». Bildquelle: Keystone.
Der Krieg ist aus! Die Feder zittere in seinen Händen, schreibt René Braichet, Chefredaktor der kleinen Neuenburger Regionalzeitung «Feuille d’Avis de Neuchâtel», angesichts der Tatsache, dass dieser hässliche und brutale Krieg endlich ein Ende habe und das Wort FRIEDEN Konturen am Horizont annehme: «Unser kleines Vaterland ist durch eine unerklärliche Fügung der Gnade von diesem Alptraum verschont geblieben, der mehrere Millionen Menschenleben gekostet, der die Grundfesten der Zivilisation zerstört und die moralischen Werte und Institutionen zutiefst erschüttert hat.»
Emotional bis distanziert
Während bei der Neuenburger Zeitung der Chefredaktor höchstpersönlich und mit Herzblut in die Tasten greift, ist die Berichterstattung der grossen NZZ zurückhaltender und distanzierter. In der Morgenausgabe vom 8. Mai lautet die NZZ-Schlagzeile «Gesamtkapitulation der deutschen Truppen», in der Mittagsausgabe das «Kriegsende in Europa».
In der Abendausgabe überlässt die NZZ der Politik das Wort und veröffentlicht eine Stellungnahme der FDP. Diese ruft dazu auf, die auf die Schweiz zukommenden sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit und Ernährungsknappheit gemeinsam zu lösen – beispielsweise mit der Zustimmung zur Einführung der Altersversicherung, welche damals diskutiert wurde.
Mit dem Zitat eines Philosophen
Pointiert und dezidiert äussern sich die Basler National-Zeitung und der Schweizerische Beobachter zum Kriegsende. Die National-Zeitung mit radikal-demokratischer Ausrichtung vermeldet «Bedingungslose Kapitulation der Deutschen in Prag» und stellt dem Leitartikel über die Zukunft und Aufgaben des neuen Deutschlands einen Satz des niederländischen Philosophen Spinoza voran: «Der Friede ist nicht nur ein Unterlassen des Krieges: Er ist eine Tugend, die aus der Kraft der Seele stammt.»
Aber auch die Schweiz müsse die Konsequenzen ziehen, schreibt die National-Zeitung. Es gelte nun, die deutsche Kolonie in der Schweiz «von allen denjenigen Elementen zu säubern, die sich gegen uns und zugleich zwischen uns und ein menschlich anständiges Deutschtum gestellt hatten».
Säuberung der faschistischen Eiferer
In dieselbe Kerbe schlägt der Schweizerische Beobachter, der laut dem Historischen Lexikon der Schweiz damals ein «politisches, parteiunabhängiges volksnahes Kampfblatt» war, das «zugunsten wirtschaftlich Schwacher Stellung nahm». In der Ausgabe vom 30. April 1945 hatte das zweiwöchentlich erscheinende Gratisblatt den Bundesrat kritisiert und ebenfalls eine Säuberung unter den in der Schweiz wohnhaften Deutschen und Italienern verlangt: Die Schweiz habe die zahlreichen faschistischen und nationalsozialistischen Eiferer zu lange gewähren lassen. Diese hätten ungehindert Zwang und Terror gegen ihre eigenen Landsleute auf Schweizer Boden ausüben können.
Einen Monat später äussert sich Albert Oeri im Beobachter lobend über die Schweizer Bevölkerung. Oeri, Chefredaktor der National-Zeitung, Nationalrat der Liberalen und Mitinitiator der Aktion Nationaler Widerstand gegen den Nationalsozialismus, schreibt im Leitartikel vom 31. Mai 1945, die Bevölkerung habe sich während der Kriegsjahre durch ihre «geistige Abwehrkraft» gegen den Nationalsozialismus bewährt.
Für eine starke Armee …
Ein eigentliches Kontrastprogramm in der Berichterstattung bilden die beiden Zeitungen Vaterland und Volksrecht. Auf der Front des Vaterlandes, laut Eigenbeschreibung «konservatives Organ für die deutsche Schweiz», freut sich die Redaktion mit blumigen Worten über das Kriegsende. Und setzt sich gleichzeitig für eine starke Armee ein, um die Unabhängigkeit der Schweiz zu garantieren. Es sei nicht so, wie «in einem linkspolitischen Blatte zu lesen war, dass die Schweizerischen Offiziere ihre Uniformen bis ins Jahre 2000 einkampfern» könnten, heisst es im Leitartikel vom 8. Mai.
... und für die AHV
Kämpferische Töne schlägt das Volksrecht an. Auf der Frontseite, direkt unter der Schlagzeile «Kriegsende in Europa», platzierte die Redaktion die Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei: «Der Kräfte der Freiheit haben gesiegt, Nationalsozialismus und Faschismus sind zerschmettert.»
Die SP ist überzeugt, dass die Bereitschaft der Bevölkerung und der Armee, für Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen, wesentlich zur Rettung der Schweiz beigetragen habe – auch mit Unterstützung der grossen Demokratien, der Roten Armee und den «heldenmütigen Freiheitskämpfern aller Nationen».
Es gelte nun, die Umsetzung der Versprechen an die Arbeiter, Angestellten und Bauern umzusetzen. Verlangt werden höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, Vollbeschäftigung und die rasche Einführung der neuen Alters- und Hinterbliebenenversicherung, der AHV.