Am Anfang stand Mary Shelley. Als die Autorin im Jahr 1816 am Genfersee weilte, um dort ihren Roman «Frankenstein» zu schreiben, reiste sie auch nach Neuenburg.
Hier betrachtete sie die Automaten des Uhrmachers Pierre Jaquet-Droz, mechanische Puppen, Robotervorläufer und die ersten ihrer Art. Für Shelley waren sie eine Inspiration für ihren «Frankenstein».
Fantastisches – in all seinen Facetten
Diese Geschichte erzählt Anaïs Emery, als sie von der Gründung des NIFFF spricht. Seit dem Jahr 2000 ist fantastisches Kino in all seinen Ausprägungen jedes Jahr im Juli in Neuenburg zu sehen – vom romantischen Märchen bis zum blutigem Horror, vom hochspannenden Thriller bis zur schrägen Komödie.
Das Festival präsentiert sich zum 18. Geburtstag selbstbewusst – Jurypräsident ist dieses Jahr der kanadischen Regisseur David Cronenberg. Schöpfer von «The Fly», «Videodrome» und jüngst «Cosmopolis» und einer der Meister des Fantastischen und Abgründigen schlechthin.
Dieses Jahr findet das Festival-Openairkino zum ersten Mal mitten in der Stadt Neuenburg, auf dem «place des halles» statt und es sieht ein bisschen aus wie eine kleinere Version der Piazza Grande in Locarno.
Klein gemacht
Und doch hat fantastische Kino, überhaupt das Genrekino, immer noch einen schweren Stand in der Schweiz – und wird von vielen nicht als gleichwertig wichtiger Teil des Kinoschaffens gesehen.
«Kann Horrorkino überhaupt intelligent sein?», war jüngst in einer Kommentarspalte zu einem Artikel über das Genrekino der Schweiz zu lesen. Es kann. Davon kann sich das Publikum gleich mehrfach am NIFFF überzeugen. «Am Anfang stand der Wunsch, endlich einen Ort zu haben, wo man über das fantastische Kino sprechen konnte», erzählt Mitbegründerin Anaïs Emery.
«Wir waren eine Gruppe von Cineasten, die das fantastische Kino liebten, weil das auch eine der grossen cineastischen Traditionen ist. Es ging uns darum, die Bedeutung des fantastischen Kinos in der Entwicklung der generellen Kinogeschichte hervorzuheben. Wir wollten, dass man das Genre-Kino wirklich als cinematografische Tradition ernst nimmt, genauso wie den Dokumentarfilm oder die Animation.»
Kein minderwertiges Nischenkino
Nirgendwo sonst in der Schweiz wird so viel über die Zukunft des Kinos diskutiert und geforscht wie am NIFFF. «Die Tradition des Fantastischen generiert Avantgarde und Innovation, schon der Kinopionier George Méliès machte fantastische Filme», so Emery.
Es sind Festivals wie das NIFFF mit seiner langjährigen künstlerischen Leiterin Anaïs Emery, die dafür sorgen, dass fantastisches Kino nicht mehr als «minderwertiges» Nischenkino gesehen wird.
Dieses Jahr gewann mit Lisa Brühlmanns «Blue My Mind» ein fantastischer Film den Schweizer Filmpreis. Und «The Shape of Water» gar den Oscar.
Eine fantastische Generation
Anaïs Emery beobachtet einen Generationenwechsel bei den Filmschaffenden.
«Für die Filmschaffenden, mit denen wir gestartet sind, war das Fantastische Kino immer noch ein separates Genre. Für die junge Generation ist das fantastische selbstverständlicher Teil des Kinos. Die sind nicht nur entweder Autorenfilmer oder machen Dokus. Sie mischen die Genres. Das Fantastische ist definitiv im Autorenfilm angekommen.»