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30 Jahre «The Simpsons» «Seit den Simpsons ist die TV-Unterhaltung eine andere»

Vor genau 30 Jahren, am 17. Dezember 1989, wurde die erste Folge der Simpsons beim US-Sender FOX ausgestrahlt. Mit 31 Staffeln ist es die am längsten laufende US-Zeichentrick- und Primetime-Serie.

Warum die Simpsons so erfolgreich sind, und wieso die Medienwelt ohne die Simpsons heute eine andere wäre, erklärt Medienwissenschaftler Moritz Fink.

Moritz Fink

Medienwissenschaftler

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Moritz Fink ist Medienwissenschaftler und Bibliothekar. Er hat an der Universität München in Amerikanistik promoviert. Seine Monografie «Understanding The Simpsons. A media phenomenon at the edge of convergence culture» befasst sich mit dem Phänomen der Simpsons.

SRF: Was macht den Erfolg der Simpsons aus?

Moritz Fink: Sie vermischen intellektuellen, politischen Humor mit der Medienkultur der MTV-Generation.

Wenn Bart mit seinem Skateboard die Welt aus den Fugen bringt, wie im Intro der Simpsons, dann wirkt das heute auf keinen Fall mehr rebellisch. Aber damals war das ein rebellischer Akt gegen die Institution Fernsehen – auch im Vergleich mit anderen Sitcom-Formaten aus der damaligen Zeit.

Als ich die erste Simpsons-Folge gesehen habe, war ich noch zu jung, um den eigentlichen Humor der Serie zu verstehen. Trotzdem fand ich die Serie toll. Wie schaffen es die Simpsons, ein so breites Publikum anzusprechen?

Bei uns im deutschsprachigen Raum wurden die Simpsons vor allem als Kinderserie beworben – im Unterschied zum Herkunftsland USA. Dort lief die Serie ab 20 Uhr und sprach damit ein junges, erwachsenes Publikum an.

Was die Simpsons schaffen, hatte bereits die Familie Feuerstein gemacht: Sie sprechen mit der sehr einfachen, primitiven Cartoon-Ästhetik und Slapstick-Momenten Kinder an. Aber sie erreichen mit intellektuellem Anspruch und dem politischen Humor auch ein erwachsenes Publikum.

Viele Szenen habe ich erst viel später begriffen, als ich älter war – oder bestimmte Filme gesehen habe.

Die Simpsons sind voll von Verweisen auf Filmklassiker, Kultfilme und TV-Sendungen. Mit diesen vielen Referenzen oder Zitaten haben die Simpsons die Qualität der Popkultur auf ein ganz neues Niveau gehoben. Man kann sagen: Die Fernsehunterhaltung ist seit den Simpsons eine andere.

Mit den vielen Referenzen haben die Simpsons die Qualität der Popkultur auf ein ganz neues Niveau gehoben.

Die Macher der Serie haben erkannt, dass man über Referenzen emotionalen Kontakt zum Publikum finden kann. Dass man sich quasi mit dem Publikum verbrüdern kann. Die Simpsons haben uns erklärt, dass wir alle Teil einer Medienkultur sind.

Buchhinweis

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Moritz Fink: The Simpsons – A Cultural History, Rowman & Littlefield Publishers, Juni 2019

Die Simpsons sind ja selbst wieder zum grossen Fundus für Zitate geworden. Es gibt so viele Momente in der Serie, die man nicht vergisst. Und die einem auch plötzlich einfallen, wenn einem eine ähnliche Situation im Alltag begegnet.

Ich nenne das in meinem Buch «Simpsons Moments», also Simpsons-Momente, die man entdeckt und im Alltag wiederfindet.

Ich bin immer wieder überrascht, wie oft mir solche Szenen in den Sinn kommen, obwohl ich diese vor mehr als 20 Jahren gesehen habe.

Ich denke das liegt an der genialen Schreibe der früheren Simpsons Writers und ihrem guten Auge für die Kleinigkeiten des Alltags. Besonders John Swartzwelder wäre hier zu nennen. Er hat zum Beispiel Homers unvergesslichen Ausruf « Auf den Alkohol! Den Ursprung und die Lösung sämtlicher Lebensprobleme » geschrieben.

Die Simpsons haben in den letzten Jahren an Popularität eingebüsst. Fans beschweren sich. Was ist da los?

Es ist leider wirklich so. Die Genialität der Simpsons ist mit den Jahren unter die Räder gekommen. Im Grunde gab es jeden Witz schon mal. Viele der Schreiber von damals – das waren die Besten der Besten – sind heute nicht mehr dabei.

Wie zeigt sich das?

Der Humor ist sehr viel banaler. Es gibt viel mehr Gastauftritte von Stars – früher eine Besonderheit der Simpsons. Das ist heute Klischee. Heute sind die Plots oft surrealistisch im Vergleich zu der früheren, geerdeten Ausrichtung der Serie, die auf den familiären Alltag der Simpsons ausgelegt war.

Der Erfolg der Serie hat viele Nachahmer auf den Plan gerufen, die vielleicht heute sogar die besseren Simpsons sind. Ich denke an South Park, Family Guy…

Zu South Park muss man sagen: Die Serie wird später am Abend ausgestrahlt als die Simpsons. Sie können unter anderen Bedingungen agieren. Sie können politisch inkorrekter auftreten, subversiveren Humor anbieten. Und sie können schneller auf Ereignisse reagieren, da die Produktion viel einfacher ist. Ich glaube bei den Simpsons benötigt eine Folge ein halbes bis ein ganzes Jahr Vorlauf.

Die Simpsons werden für immer das Original bleiben.

Family Guy ist halt schlussendlich auch nur ein Simpsons-Imitat. Klar gibt es mittlerweile ähnliche, animierte Sitcoms, die vielleicht besser und origineller sind als die Simpsons. Aber die Simpsons werden für immer das Original bleiben.

Der Konsens unter den Fans scheint zu sein: Man hätte besser nach 15 Jahren auf dem Höhepunkt aufgehört.

Man kann es natürlich niemandem recht machen. Wahrscheinlich hätten sie mit 27 sterben sollen wie die vielen berühmten Rockstars. Aber die Simpsons sind eher wie die Rolling Stones. Sie bleiben hartnäckig auf der Bühne.

Die Simpsons sind wie die Rolling Stones. Sie bleiben hartnäckig auf der Bühne.

Und solange der Rubel rollt – mit dem diesjährigen Verkauf der Simpsons an Disney sowieso – machen sie weiter. Und Disney will natürlich auch erst mal Geld sehen. Von daher werden wir die Simpsons noch ein bisschen geniessen dürfen – oder uns über sie aufregen.

Das Gespräch führte Tom Hägler.

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