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54. Solothurner Filmtage «Ambassade»: Die Schweiz als Postbote im Iran

Der Dok-Film erinnert an die Vermittlerrolle der Schweizer Botschaft im Iran während der Geiselnahme von 1979 bis 1981.

Ein junger Schweizer Diplomat kommt am 2. Dezember 1978 in Teheran an, während die Menschen in den Strassen gegen den Schah, Irans Monarchen, demonstrieren. So beginnt der Film.

Nur sechs Wochen später, am 16. Januar 1979, verlässt der Schah das Land. Noch ahnt niemand, dass er Krebs hat. Die meisten Länder – auch die Schweiz – verweigern ihm Asyl.

Khomeinis Rückkehr

Am 1. Februar kehrt Ayatollah Khomeini, der Führer der islamischen Revolution, aus dem Exil nach Teheran zurück. Danach spitzen sich die Ereignisse zu. Am 4. November stürmen Studenten die US-Botschaft und nehmen 52 Amerikaner als Geiseln.

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Kurzkritik zu «Ambassade»
02:22 min Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 22 Sekunden.

Ursprünglich planten sie, diese nach 48 Stunden wieder freizulassen. Doch Khomeini unterstützt ihre Tat offiziell, da geht das nicht mehr.

Die Studenten wollen die USA zur Auslieferung des Schahs zwingen, der in einem New Yorker Spital behandelt wird. Präsident Jimmy Carter lehnt aus humanitären Gründen ab.

Drei ältere Herren treffen sich.
Legende: Die Schweizer Diplomaten Erik Lang, Pascal Décosterd und Flavio Meroni heute. Climage

Erik Lang, Schweizer Botschafter im Iran von 1978 bis 1981, dessen Stellvertreter Flavio Meroni und viele weitere Zeitzeugen erinnern sich daran, wie die Schweiz den USA ihre Hilfe anbot.

Das Schweizer Botschaftspersonal arbeitete auf eine schnelle Freilassung der Geiseln hin. Doch das sollte erst 444 Tage später wahrwerden, am 20. Januar 1981.

«Wir wurden zu den Postboten der Botschaften, die aus Washington via Bern und mich zur iranischen Regierung gelangten», umschreibt Erik Lang die Rolle der Schweizer Diplomaten.

Algerien wird neuer Vermittler

Doch für die letzte entscheidende Verhandlung entschied Khomeini am 3. November 1980 gegen die Schweiz, weil sie nicht eindeutig pro-iranisch war. Stattdessen schlug er den USA Algerien als neuen Vermittler vor.

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Der letzte Kulturstammtisch
aus Kultur-Stammtisch vom 26.01.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 26 Minuten 15 Sekunden.

Die Krise wurde durch das 24-seitige Dokument «Erklärung von Algier» beigelegt. Der damals stellvertretende Botschafter der Schweiz, Flavio Merani, erklärt im Film, beide Seiten hätten darin einen Sieg sehen können. Aus heutiger Sicht sei es wohl aber eher ein Erfolg für die USA gewesen.

Letztlich wurden die Geiseln am 20. Januar 1981, am Tag von Ronald Reagans Vereidigung, freigelassen. Denn der internationale Druck mit den Wirtschaftssanktionen wurde zu gross. Ausserdem sollten die USA das gesperrte Vermögen des Iran wieder freigeben.

Kinder spielen mit dem amerikanischen Hubschrauber, der bei der gescheiterten Geiselbefreiungsaktion der USA im Iran zurückblieb.
Legende: Kinder spielen mit dem amerikanischen Hubschrauber, der bei der gescheiterten Geiselbefreiungsaktion der USA im Iran zurückblieb. Climage

Die Geiselnahme hinterliess Spuren. Das zeigt «Ambassade» auf. Ein missglückter Versuch der amerikanischen Armee, die Geiseln zu befreien, hat Jimmy Carter wohl die Wiederwahl gekostet. Stattdessen wurde am 4. November 1980 Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt.

US-Bürger bekamen während der Geiselnahme täglich TV-Bilder von bärtigen Männern zu sehen, die «Tod den USA» skandierten. Diese Erfahrung präge die US-Aussenpolitik bis heute, erklärt Gary Sick im Film, damaliger Sicherheitsbeauftragter des Weissen Hauses.

SRG-Koproduktion

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Die SRG ist Koproduzentin dieses Films.

Internationaler Konflikt

Abolhassan Banisadr, nach der Monarchie des Schahs der erste iranische Präsident, erklärt dem Regisseur Daniel Wyss im Interview, die Geiselnahme wirke sich bis heute negativ aus: «Die Diktatur der Mullahs verhinderte jegliche Normalisierung der Verhältnisse.»

Der Historiker Abbas Milani meint sogar, der Erste Golfkrieg zwischen Iran und Irak (1980 bis 1988) hätte ohne die Geiselnahme nie stattgefunden. Saddam Hussein habe den Angriff gewagt, weil der Iran damals international völlig isoliert dastand.

Kritik «Ambassade»

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Legende: Climage

Regisseur Daniel Wyss gelingt es in «Ambassade» die verwirrende Sachlage verständlich zu machen. Minutiös schildert er die damaligen Ereignisse mit teils erstaunlichem Archivmaterial. Die Ereignisse werden chronologisch geschildert, was bei der vertrackten Situation sicher richtig war. Die zahlreichen Archivbilder lassen zwar qualitativ zu wünschen übrig, sorgen jedoch für eine unglaubliche Nähe zum Geschehen. Ein Glücksfall ist, dass Regisseur Daniel Wyss viele der damaligen Protagonisten für Interviews aus heutiger Sicht gewinnen konnte. So wird nicht nur die politische und historische, sondern auch die menschliche Dimension nachvollziehbar.

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