Knapp über 30 Jahre alt ist der Tessiner Francesco Rizzi. Sein erster Spielfilm, «Cronofobia» mit Sabine Timoteo, wurde in diesem Jahr an den Solothurner Filmtagen gezeigt.
Vielleicht auf Kosten von «Passion», dem Film des etablierten Regisseurs Christian Labhart. Er bekam von den Filmtagen eine Absage.
Labhart ist mehr als doppelt so alt wie Rizzi. Die Nicht-Programmierung seines jüngsten Films hat ihn verständlicherweise getroffen.
Ein Platzproblem?
Was tun, wenn sich 600 Filme um 165 Programmplätze bewerben? Die Solothurner Filmtage haben in ihrem 54. Jahr ein Problem, von dem die Gründer seinerzeit nicht einmal geträumt hätten.
Das heute regelmässig vom Publikum überrannte Festival in der kleinen Stadt an der Aare entstand aus einer Not heraus. Die jungen Schweizer Autorenfilmer in den 1960er-Jahren brauchten eine eigene Werkschau.
In den Kinos dominierten damals die kommerziellen Grossproduktionen aus Hollywood und die Unterhaltungsfilme aus den europäischen Produktionen.
Die jungen Wilden, die angehenden Autorenfilmer im Gefolge der französischen «Nouvelle Vague», schufen sich mit den Solothurner Filmtagen einen Ort, an dem sie gegenseitig ihre Filme begutachten konnten.
Schliesslich kam das Publikum – und mit den Jahren wurden die Filmtage die Basis für die heutige Filmförderpolitik.
Diese hart erkämpfte Förderpolitik, im Verbund mit der rasanten technologischen Entwicklung, führte dazu, dass heute viel mehr Filme entstehen und an den Filmtagen gezeigt werden wollen.
«Vor 20 Jahren noch haben die Filmtage von 70 eingereichten Langfilmen immerhin 65 zeigen können», erklärt Filmtage-Direktorin Seraina Rohrer: «Also rund 80 Prozent.» Mittlerweile gebe es für 120 bis 150 eingereichte Langfilme noch eine Quote von 50 bis 60 Prozent.
Die Filmtage haben sich also der gesteigerten Produktivität der Branche angepasst und mehr Filme ins Programm genommen. Aber eben nicht im gleichen Masse, wie die Produktion gewachsen ist.
Unbeliebte Werke zeigen
Dennoch zweifelt der Zürcher Produzent, Filmemacher und Kinobetreiber Samir Sinn und Zweck der Auswahl an. Um eine Werkschau zu bleiben, müsse man eigentlich alle Filme zeigen, meinte Samir an einer von Seraina Rohrer initiierten Diskussionrunde am Wochenende. Allerdings hütete er sich, das wörtlich so zu sagen.
Als Initiant der Petition für den abgelehnten Film seines Kollegen Christian Labhart blieb Samir allerdings dabei, dass es mit Auswahlkriterien nicht getan sei.
Die Diskussion der Filmemacher unter sich und mit dem Publikum sei einer der Ursprungsgedanken der Solothurner Filmtage, so Samir: «Diesen Diskurs kann man nur machen, wenn man auch Werke akzeptiert, die einem vielleicht nicht gefallen.»
Direktorin Rohrer konterte, dass die kontinuierliche Berücksichtigung der etablierten Filmemacher nur auf Kosten des Nachwuchses passieren könne. Man bemühe sich aber, mehr Filmemacherinnen und mehr junge Talente zum Zug kommen zu lassen.
Filmemacherin Sabine Boss («Dr Goalie bin ig»), die an der Zürcher Hochschule für Künste Filmstudentinnen ausbildet, ist der Meinung, Auswahlentscheide seien keine grundsätzlichen Qualitätsurteile über einen Film. Gerade, weil ja stets die Programmvielfalt mitberücksichtigt würde.
Ausserdem, so Boss, gehöre das gelegentliche Scheitern zum Beruf der Filmemacher. Es schade auch ihren Schülerinnen und Schülern nicht, das Bewusstsein dafür schon früh geschärft zu bekommen.
Infrastruktur und Budget geben vor, wie viele Filme die Filmtage maximal zeigen können. Beides liesse sich theoretisch ausbauen. Aber letztlich wollen auch die Filmemacher vor allem das Publikum, das die Filmtage nach wie vor anziehen. Das Publikum notabene, das gerade die komplexeren Schweizer Filme bei der regulären Kinoauswertung oft links liegen lässt.
Der ganzen Diskussion um eine möglichst breite Werkschau oder eine kuratierte Auswahlschau ferngeblieben sind im Übrigen die jungen Filmschaffenden.
Jene, die es ins Programm geschafft haben, freuen sich darüber. Und die anderen? Die probieren es einfach wieder.