Wegen der Pandemie findet die 72. Vergabe der Emmy Awards am Sonntag, 20. September virtuell statt. Einen Vorgeschmack davon, was uns erwartet, haben wir bereits Ende August gekriegt.
Als die dunkelhäutige Komikerin Leslie Jones die Nominierungen bekanntgab und ihrem Team danach im Strassen-Slang gratulierte: «Yes you guys! We did it! We was good right? We was the bomb!»
Jones, die hierzulande vor allem als schlagfertigste Schauspielerin der Ghostbusters-Neuverfilmung bekannt sein dürfte, wie sie leibt und lebt. Dass die Wahl der Television Academy auf eine Afroamerikanerin fiel, ist kein Zufall. Die Emmys 2020 wollen Farbe bekennen. Das zeigt sich auch bei den Nominierten: So gut vertreten wie in diesem Jahr war die Gruppe der sogenannten «people of color» noch nie.
«Watchmen» in der Pole-Position
Am häufigsten nominiert wurde die neunteilige Superhelden-Serie «Watchmen», die in einer alternativen Gegenwart spielt. Einer Welt, die keine Handys und kein Internet kennt. Trotzdem kommt einem vieles, was dieses dystopische Amerika prägt, bekannt vor: Vor allem das schwelende Rassismusproblem, das die ganze Nation zu spalten droht.
Oscarpreisträgerin Regina King, die in Venedig für ihr Regiedebüt «One Night in Miami» gefeiert wurde, brilliert in «Watchmen» als dunkelhäutige Identifikationsfigur. Doch nicht nur sie hat gute Emmy-Siegeschancen. Der gesellschaftskritischen HBO-Mini-Serie, die 2019 von «Lost»-Schöpfer Damon Lindelof lanciert wurde, winken total 26 Trophäen.
Starke jüdische Frauenfiguren
In der Kategorie «Beste Komödien-Serie» schwingt «The Marvelous Mrs. Maisel» mit 20 Nominierungen obenauf. Als Titelfigur fungiert hier eine jüdische Hausfrau und Mutter, die sich auf den männerdominierten Comedy-Bühnen New Yorks durchsetzen will.
Eine andere, nicht minder mutige Jüdin steht im Mittelpunkt der deutschen Mini-Serie «Unorthodox». Der lose auf Deborah Feldmans gleichnamiger Autobiographie basierende Vierteiler erzählt die Emanzipationsgeschichte einer ultra-orthodoxen New Yorkerin. Acht Trophäen könnte das in Brooklyn und Berlin angesiedelte Zuschauerhit insgesamt gewinnen.
Doppelsieg für Sterling K. Brown?
Diversität ist Trumpf bei den 72. Primetime Emmy Award. Am augenfälligsten: die hohe afroamerikanische Präsenz. Sterling K. Brown wurde gar zweimal nominiert: als Hauptdarsteller des Dramas «This Is Us» und als Nebendarsteller von «The Marvelous Mrs. Maisel».
Ob das an «Black Live Matters» liegt? Eric Deggans, TV-Kritiker für National Public Radio, hält einen direkten Zusammenhang für möglich, ja sogar wahrscheinlich: «Ich bin mir sicher: Das Letzte, was die Television Academy derzeit haben wollte, war eine Emmys-so-weiss-Debatte.»
Wie dem auch sei: Die grössere Diversität ist zu begrüssen. Doch lässt man die Schauspiel-Kategorien aussen vor, bleiben nur wenige «people of color» übrig. Die überwiegende Mehrheit der nominierten Autoren und Regisseure ist weiterhin weiss. Genauso wie der Moderator der Award-Show: Late-Night-Legende Jimmy Kimmel.