Zum Inhalt springen

80 Jahre Michael Haneke Er entlarvt die Welt des Unterhaltungskinos

Von «Benny's Video» bis «Amour»: Der Österreicher Michael Haneke hat mit seinen Filmen das Kino über bald 50 Jahre hinweg radikal und provokativ gegen den Strich gebürstet. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag.

Gemütlich oder gar unterhaltsam mag es Michael Haneke nicht angehen. Was der Österreicher mit dem Medium Film veranstaltet, ist der pure, strenge Gegenentwurf zur eskapistischen Traumfabrik, als die sich das globalisierte Hollywood so gerne darstellt.

In Hanekes Filmen zeigt sich die Welt fragmentiert in ihrer punktuellen Grausamkeit genauso wie in ihrer Unverständlichkeit. Das müsse so sein, sagt Haneke: «Weil ich es notwendig finde, zu polemisieren gegen die übliche Art des Erzählkinos, die ja dauernd vorgibt, die Wirklichkeit total beschreiben und erklären zu können.»

Filme in Bruchstücken

Einer von Hanekes frühen Filme, «Benny's Video» von 1992, erzählt in solchen Bruchstücken: Die Eltern eines Jungen versuchen zu vertuschen, dass dieser eine Schulkameradin mit einem Bolzenschussgerät umgebracht und sich dabei mit der Videokamera gefilmt hat.

schwarzweiss Foto eines jungen Teenagers, seitlich im Profil, mit Kopfhörern, schaut auf einen Bildschirm
Legende: Der Film «Benny's Video» (1992) um den videobegeisterten Teenager und seine Tat wurde für den Oscar nominiert. IMAGO / EntertainmentPictures

Was heute, im Zeitalter der allgegenwärtigen Handykamera wie der halbgare Plot für einen Social-Media-«Tatort» klingt, geriet vor 30 Jahren zu einem handfesten Skandal. In der Schweiz wurde «Benny's Video» nach einer Boulevardkampagne des «Blick» sogar kurzfristig verboten.

Gegen die eindeutige Welt

Dabei bediente Haneke schon damals nicht die Sensationsgier. Der Film erschreckte, weil er keine emotionalen Leitplanken und keine Erklärungen lieferte. Er zeigte bloss «Fragmente einer Chronologie des Zufalls», wie sie Hanekes übernächster Film im Titel trug.

Das Fragmentarische sei ein wesentlicher Bestandteil der Kunst der Moderne, sagt der Regisseur und Drehbuchautor: «Nur im Kino bewegt man sich noch gemeinhin auf der Ebene des bürgerlichen Romans des 19. Jahrhunderts, der so tut, als könne das Über-Ich des Autors die Wirklichkeit konstruieren, rekonstruieren und auch erklären.»

Man dürfe sich und das Publikum nicht einfach bedienen, meint Haneke. Das Unterhaltungskino erzeugt seiner Meinung nach eine eindeutige oder gar einfältige Welt, in der die Dinge erklärbar sind, moralisch klassifizierbar.

Brutale «Funny Games»

Dieses selbstbefriedigende System versuchte Michael Haneke 1997 mit seinem Film «Funny Games» zu entlarven. Im Film terrorisieren zwei junge Männer grundlos eine Familie und bringen diese schliesslich um. Sie machen sich dabei die Spielregeln des Unterhaltungskinos zunutze, indem sie im Film einfach zurückspulen, wenn etwas nicht nach ihrem Willen läuft.

Haneke versuche mit seinen Filmen, sich der Wahrheit zu nähern und die Zuschauer ernst zu nehmen: «Wenn man jemanden ernst nimmt, kann man ihm auch unangenehme Dinge sagen.»

Ein Oscar für «Amour»

Am eindrücklichsten ist ihm das schliesslich 2012 mit «Amour» gelungen. Im Film lebt ein liebevolles altes Ehepaar der Krankheit und dem Sterben entgegen, bis der Mann es nicht mehr aushält.

Der Film nähert sich tatsächlich der unangenehmen Wahrheit an. Er schliesst aber gleichzeitig die lange Liebe der beiden mit ein und kommt so, seiner Radikalität zum Trotz, nahe ans klassische Erzählkino. So hat «Amour» dem unerbittlichen Regisseur prompt den Oscar eingebracht.

«Amour» auf SRF

Box aufklappen Box zuklappen

Hanekes Film «Amour» gibt es noch bis zum 31.03. im SRF Player zu sehen.

Respekt für den postmodernen Meister

Unzählige Preise haben Haneke in der Welt des Films als Meister der postmodernen Kunst seiner eigenen Definition bestätigt. Darunter drei Auszeichnungen in Cannes für «Die Klavierspielerin» 2001 mit Isabelle Huppert oder zwei goldene Palmen für «Das weisse Band» 2009 und «Amour» 2012.

Dabei ist es nicht Liebe, welche das Publikum mit Hanekes Filmen verbindet, sondern Respekt. Oder, wie es Juliette Binoche ausdrückt, die in zwei Filmen des Meisters gespielt hat: «Für mich sind Hanekes Filme notwendige Filme. Von Zeit zu Zeit sollte man sie sich ansehen. Aber sicher nicht immer.»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.03.2022, 07:06 Uhr

Meistgelesene Artikel