Zu Ende gingen die Oscars mit dem erwarteten Preissegen für «Oppenheimer» in den Hauptkategorien. In den Umschlag des Gewinners für den besten Film schielend, machte sich Preisübergeber Al Pacino gar nicht die Mühe, einen Spannungsmoment zu erzeugen. «Da steht: Oppenheimer» verkündete er begeisterungsfrei, ohne die Konkurrenz eines Wortes zu würdigen.
Der Moment stand in krassem Gegensatz zu dem, was die diesjährigen Oscars insgesamt vermitteln wollten: Gegenseitigen Enthusiasmus und ein verstärktes Miteinander der Hollywood-Branche.
Nach langen Streiks und in der berechtigten Angst, durch KI ersetzt zu werden, stellten die Mitglieder der Academy dieses Mal die allgemeine Relevanz ihres Tuns ins Zentrum. So wurden am Anfang kurz auch Anwesende mit Filmberufen ins Rampenlicht gerückt, für die traditionell keine Oscars vergeben werden.
Weniger Effekte, mehr Menschen
«Look at these beautiful human actors!», rief Moderator Jimmy Kimmel gleich zur Begrüssung in den Saal, ein abendbegleitendes Thema: Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut. Aus diesem Grund wurden die Schauspielpreise wohl auch nicht mit kurz eingespielten Clips eingeleitet, sondern mit Würdigungen der Nominierten aus dem Munde früherer Preisträgerinnen und Preisträger.
Dass Hollywood dem digitalen kreativen Schaffen mehr Physis entgegensetzen möchte, dafür stand auch der Entscheid, den Preis für die besten Kostüme von einem nackten John Cena vergeben zu lassen – in Anspielung auf den Oscar-Flitzer von 1974. Emma Stones Auszeichnung als beste Schauspielerin in «Poor Things» belohnte dieses Jahr zudem eine Leistung, die mit mutiger Mimik und Körpersprache funktionierte.
Weniger Diversität, mehr Barbie
Hollywood ist allgemein wieder stärker bei sich und seinen Stars: Es gab weniger Diversität unter den Gewinnenden als in anderen Jahren, und der Einbezug des Filmschaffens ausserhalb Hollywood-Welt hielt sich erneut in Grenzen. Immerhin gingen zwei Preise nach Japan («The Boy and the Heron», «Godzilla Minus One»), einer nach Frankreich («L’anatomie d’une chute») und einer in die Ukraine («20 Days in Mariupol»).
Auffällig präsent war derweil der Kassen-Blockbuster «Barbie» – trotz der Nichtnominierung von Regisseurin Greta Gerwig und Schauspielerin Margot Robbie. Ein spassiger Einspieler mit Jimmy Kimmel war «Barbie» gewidmet, spätere Anspielungen folgten. Film-Co-Star Ryan Gosling gab mit 65 tanzenden Kens den Song «I’m Just Ken» zum Besten: Der wilde, witzige Auftritt Goslings war die beste Showeinlage an den Oscars seit Jahren.
Die Oscar-Austragenden hätten sich wohl gewünscht, dass «Barbie» prominenter ausgezeichnet worden wäre als nur mit einem Preis für Sängerin Billie Eilish. Verständlich, denn in «Barbie» geht es um das Thema, das Hollywood zurzeit beschäftigt: Hinter dem Produkt steht der Mensch – und hinter Barbie steht eine Frau. Oder zwei.
Unterhaltung im Griff
Fazit: Auf die Branchenkrise des vergangenen Jahres und den Vorwurf der schwindenden Relevanz von Kinofilmen antworteten die diesjährigen Oscars mit einer souveränen Demonstration, dass die Hollywood-Elite nach wie vor etwas von Unterhaltung, Emotion und Glamour versteht.
Dass die Oscars 2024 nach einigen eher langatmigen Ausgaben wieder eine ansprechende und bisweilen bissige Show auf die Beine stellten – das bleibt von diesem Abend fast eher hängen, als wer nun welchen Preis gewonnen hat.