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Film & Serien Abgesetzt: Warum HBO «Vinyl» vom Plattenteller nimmt

Schluss nach der 1. Staffel: Die TV-Serie über New Yorks Musikszene der wilden 1970er-Jahre war das Prestigeprojekt des Senders HBO. Fehlende Zuschauer, sinkende Aboverkäufe – ausgerechnet beim Serienpionier. Ist das «Vinyl»-Aus der Anfang vom Ende des Serienbooms?

HBO wollte so etwas wie «Mad Men» auf den Markt bringen: eine Serie über eine Zeit, die nostalgische Gefühle auslösen sollte. Doch das hat nicht funktioniert. Für die einen liegt die Rock’n’Roll-Zeit noch zu weit zurück. Für die anderen noch nicht weit genug, um diese Art von nostalgischer Bearbeitung aufzunehmen. «Vinyl» scheint zwischen Stuhl und Bank gefallen zu sein.

Ein Millionenpublikum wollte HBO mit «Vinyl» erreichen – am Ende haben nur 600’000 Zuschauer die Serie verfolgt. Obwohl die Folgen von Martin Scorsese und Mick Jagger produziert wurden.

Filmstill aus der HBO-Serie «The Sopranos».
Legende: Begründer des Serienbooms: «The Sopranos». HBO

Starke Konkurrenz

Erstaunlich ist, dass dieser Fehlgriff HBO passiert. Der Serienproduzent gilt dank «The Sopranos» oder «The Wire» als Wegbereiter für den Erfolg von TV-Serien. Trotzdem sind die Abonnentenzahlen im vergangenen Jahr von 138 auf 131 Millionen gesunken.

Schuld am Zuschauerschwund ist in erster Linie die zunehmende Konkurrenz. Seit Netflix, Amazon und auch Youtube globale Anbieter von TV-Serien sind, ist der Markt für die einzelnen Anbieter deutlich kleiner geworden.

Du sollst das Publikum kennen

Was die neuen Anbieter stark macht: Sie kennen ihr Publikum besser als HBO. Gerade Netflix weiss, was sich die Leute wann anschauen – und wie lange. Netflix hat intern eine Riesenmaschinerie aufgebaut, um die Zuschauerzahlen ständig auszuwerten. Netflix kann vorhersagen, welche Serie ein Erfolg wird und welche nicht.

Auch auf Youtube lassen sich Klicks und Reaktionen sammeln. Und Amazon ist ohnehin der König der Reaktionen: Seit den ersten Buchverkäufen Mitte der 1990er-Jahre sammelt Amazon Kundendaten.

Kunst dank Kommerz

Wer genau weiss, was die Zuschauer wollen, kann auch in künstlerischer Hinsicht bessere Serien machen. «House of Cards» etwa, die bekannteste Netflix-Serie konnte nur deshalb finanziert werden, weil man bei Netflix genau wusste: Ein bestimmtes Segment will das sehen.

Filmstill: Kevin Spacey als US-Präsident in der Air Force One.
Legende: Erfolgsstory aus dem Hause Netflix: «House of Cards» mit Kevin Spacey. Netflix

Die Geschäftslogik dabei: Lässt sich ein grosses Publikum erwarten, wird auch das Budget grösser. Wenn man weiss, das Geld spielt sich wieder ein, lässt sich mehr in eine Serie hineinpacken.

Hervorzustechen wird schwierig

Den Misserfolg von «Vinyl» indes zu einer veritablen Serienkrise abzuleiten, wäre verfrüht – der Serienboom ist nach wie vor in voller Blüte. Klar ist aber: Es wird immer schwieriger, gute und überraschende Serien zu produzieren, in denen viel Geld steckt.

Dieses Phänomen konnte man schon im Kino beobachten und später in der Entwicklung des Fernsehens: Je mehr Anbieter auf dem Markt auftauchen, desto schwieriger wird es hervorzustechen. Und desto kleiner werden die Gewinnspannen.

Billigere Produktionen, mehr Einkäufe

Wird der Gewinn kleiner, steht weniger Geld zur Verfügung für Produktionen. Die Folge: Man versucht, das Risiko zu minimieren, indem man günstigere Serien produziert. Oder billig einkauft: Auch Netflix kauft mittlerweile Serien ein – bei «Scream» etwa werden Filme verwertet, die funktionieren.

Die Alternative: Man setzt auf eine grosse Serie, die dann als Alleinstellungsmerkmal funktionieren sollte und steckt dort das ganze Budget rein. Wenn das wie bei «Vinyl» nicht hinhaut, dann hat man sich verspekuliert.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.06.2016, 06:50 Uhr

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