Beim Aufzählen filmischer Meilensteine wie «La strada», «La dolce vita» oder «8½» ins Schwärmen zu kommen, ist kein Kunststück. Wer sich damit brüsten will, ein waschechter Fellini-Fan zu sein, muss schon etwas mehr tun: Zum Beispiel ins Zürcher Kunsthaus pilgern, um das zeichnerische Talent der italienischen Regieikone zu entdecken.
Die Ausstellung «Federico Fellini: Von der Zeichnung zum Film» bietet tiefe Einblicke in die Produktionsweise des weltberühmten Autorenfilmers. Dieser verdiente seine Brötchen zunächst als Karikaturist für Humorzeitschriften, wie er dem Schweizer Fernsehen 1975 freimütig erzählte: «Ich dachte nie daran, Regisseur zu werden. Ich wollte mich nicht einmal mit dem Kino befassen.»
Als er durch Zufall dann doch beim Film landete, griff er gerne auf seine Träume und Ideen zurück, die er mit Filzstift, Kugelschreiber oder Fineliner auf Papier zu bannen pflegte. Diese «Kritzeleien» wie er sie nannte, erwiesen sich für ihn auf dem Set als besonders hilfreich – besonders was die pointierte Figurenzeichnung seiner Leinwandwerke betraf.
Schneller, präziser Strich
Fellini schärfte Rollenprofile, indem er seine Vorstellungen aufs Blatt brachte. Diese schnellen, intuitiv entworfenen Skizzen dienten ihm später selbst als orientierende Erinnerungsstützen. Zudem spielten sie eine Schlüsselrolle, wenn es darum ging, dem Filmteam seine Ideen zu veranschaulichen.
Wie Kunsthaus-Kuratorin Cathérine Hug betont, haben Fellinis Filmskizzen darum auch produktionstechnisch einen hohen Wert: «Er zeichnete rasch und impulsiv. Kinofilme zu drehen, verlangt aber nach anderen, fast schon konträren Qualitäten: Da muss man viel planen, ein detailliertes Drehbuch entwickeln. Die Skizzen erlaubten es Fellini, den Prozess anders, mehr seinen Neigungen entsprechend zu gestalten.»
Den Zeichnungen stellt die Ausstellung zum Abgleich Poster, Requisiten, Set-Fotografien und Ausschnitte von 13 Filmen gegenüber. So wird offenkundig, was Cinephile und Kunstexpertinnen wie Cathérine Hug «fellinesk» nennen: «Überspitzte, groteske, oft an Karikaturen erinnernde Figuren. Starke Charaktere mit ausgeprägten Eigenschaften, die Fellinis Filme wie bewegte Gemälde erscheinen lassen.»
Fellinis Zuneigung zu Zürich
Die meisten der in Zürich ausgestellten Exponate sind Zeichnungen aus der Sammlung der Familie Keel. Mit dieser fühlte sich Fellini Zeit seines Lebens freundschaftlich verbunden. So sehr, dass der Meisterregisseur sogar seinen 64. Geburtstag in der Limmatstadt feierte. Inmitten seiner Skizzen, die 1984 letztmals im Kunsthaus präsentiert wurden.
An den Umstand, dass man diese «wie kostbare Schmetterlinge» ausstellt, hatte sich die gefeierte Regieikone allerdings zunächst einmal gewöhnen müssen: «Was für ein Horror, diese Sachen an der Wand hängen zu sehen», lautete Fellinis Reaktion, als seine «Kritzeleien» zum ersten Mal in einer Galerie gelandet waren.
Natürlich lässt sich aus dieser Aussage nicht nur echtes Unbehagen, sondern auch routinierte Koketterie herauslesen. Doch egal wie bescheiden sich Fellini damals geben wollte: Wer seine Filmzeichnungen nur als schnödes Beiwerk betrachtet, hat deren künstlerischen Wert schlicht nicht erfasst.