1. Teurer Gigantismus
Ingmar Bergmans letzte Kinoarbeit ist für viele auch seine beste. Eine dreistündige opulent in Szene gesetzte Familienchronik um zwei Geschwister, die nach dem frühen Tod des Vaters und mit dem Einzug eines tyrannischen Stiefvaters in emotionale Abgründe gerissen werden.
Fürs Kino kürzte Bergman das fünfeinhalbstündige Original auf drei Stunden. Trotz begeisterter Kritiken geriet der Film zum finanziellen Flop.
2. Film mit Sogwirkung
«Fanny och Alexander» ist auf den ersten Blick kein typischer Bergman-Film. Länger, üppiger, ausschweifender als seine bisherigen Werke. Er wirkt wie ein Vermächtnis.
Bergman hat viele eigene Kindheitserinnerungen in die Handlung eingebaut. Er gewährt einen zeitweise abgeklärten, versöhnlichen Blick auf Geschehenes.
Dies erlaubt dem Zuschauer ohne Anstrengung immer tiefer in dieses epische Familiendrama einzutauchen. Dennoch sind die typsichen Bergman’schen Themen wie Tod, Gott und zwischenmenschliche Beziehungen zentral.
3. Katalysator Film
Ingmar Bergman machte nie ein Geheimnis daraus, dass er seine persönlichen Erfahrungen, Ängste und Zweifel in seinen Filmen verarbeitete. Bergmans Kindheit war von Brutalität und seelischer Grausamkeit geprägt.
So wurde er mit einem Rohrstock geschlagen (was als Szene in «Fanny och Alexander» wiederkehrt) oder weggesperrt – auch dies widerfährt der Titelfigur Alexander im Film.
Diese quälenden Erlebnisse verarbeitete Bergman bereits in Vorgängerfilmen wie «Die Hörige» (1944), «Die Stunde des Wolfs» (1968) oder «Von Angesicht zu Angesicht» (1976).
4. Theater und TV
Nach «Fanny och Alexander» drehte Ingmar Bergman keine Kinofilme mehr. Er realisierte noch diverse Filme und Dokumentationen für das schwedische Fernsehen.
Bergman, der ursprünglich vom Theater kam, kehrte gegen Ende seiner Schaffenszeit wieder vermehrt dahin zurück. Er war bekannt für die Inszenierung und Neuinterpretierung von Klassikern: Shakespeare, Molière, Ibsen oder Strindberg.
5. Vom Drehbuchautor zum Regisseur
Durch sein Theaterschaffen wurde eine schwedische Produktionsfirma (Svensk Filmindustri) auf Bergman aufmerksam. Anfang der 1940er-Jahre wurde er als Drehbuchautor verpflichtet. 1944 verfasste er das Drehbuch zu «Die Hörige», das von Alf Sjölberg schliesslich inszenierte.
Erstmals Regie führte Bergman 1946 beim Film «Kris». Bereits damals war der stilistische Hang zum Neorealismus erkennbar, der später zu Bergmans Markenzeichen werden sollte.
6. Filmgeschichte geschrieben
Der französische Regisseur François Truffaut schrieb einmal bewundernd über Ingmar Bergman: «Er benutzt die Kamera wie andere den Stift». Insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren prägte Bergman die Filmlandschaft wie kein Zweiter.
Der Film war für Bergman so etwas wie seine Familie. Er arbeitete stets mit einem relativ fixen Ensemble zusammen. Und er war oft Förderer von Schauspielerinnen und Schauspielern, die später Weltruhm erlangten: Liv Ullman («Szenen einer Ehe») oder Max von Sydow («Das siebente Siegel»).
7. Kameramann fürs Leben
Bergman drehte fast all seine Filme mit Kameramann Sven Nykvist. Die erste gemeinsame Arbeit war «Nacht der Gaukler» (1953). Mehr als 30 Jahre später erhielt Nykvist für «Fanny och Alexander» seinen zweiten Oscar.
Bergman und Nykvist entwickelten eine charakteristische Bildsprache mit langen Naheinstellungen und spezieller Lichtsetzung. Auch scheuten sich die beiden nicht davor, Grenzen zu überschreiten.
Explizite Sex-Szenen brockten den beiden in den 1950er- und 1960er-Jahren Probleme mit den Zensurbehörden ein. Dieselben Szenen bildeten aber gleichzeitig auch das Fundament für ihren grosse Erfolg an den Kinokassen.
8. Preise über Preise
Ingmar Bergman war ein Gigant seines Fachs. In Cannes wurde er zwischen 1956 und 1959 gleich viermal hintereinander ausgezeichnet.
Seine Schwarzweiss-Dramen «Die Jungfrauenquelle» (Original «Jungfrukällan», 1961) und «Wie in einem Spiegel» (Original «Såsom i en spegel», 1962) erhielten zudem jeweils den Oscar in der Sparte «Bester fremdsprachiger Film».
1997 wurde Bergman auf den 50. Filmfestspielen von Cannes mit einem Spezialpreis, der «Palme der Palmen» ausgezeichnet: als bester Filmregisseur aller Zeiten.
Die Ehre dieser einmaligen Wahl erwiesen ihm sämtliche noch lebenden Cannes-Sieger: darunter Ikonen wie Martin Scorsese, Robert Altman, Akira Kurosawa und Wim Wenders.