Unerwünschte Mäuse auf der Rennbahn, Überschwemmungen der Aare, Spitzenleistungen von Reitern und Pferden: Ein Blick ins Archiv des Aarauer Rennvereins zeigt historische Momente des Pferdesports in der Schweiz.
Beim winterlichen Besuch liegt das Gelände verlassen da. Kaum vorstellbar, dass hier von Frühjahr bis zum Herbst buntes Treiben herrschen soll: An den Pferderennen wird gewettet und angespornt, flaniert und gejubelt.
Das einzigartige Ambiente hat es Beatrice Kovacs angetan. Die Geschäftsführerin des Aargauischen Rennvereins kam per Zufall zum Pferdesport.
Treffpunkt der Elite und Volksfest
Ihre Tochter half während des Studiums im Wettbüro aus. Neugierig auf deren Nebenjob besuchte die Mutter eines der Rennen: «Ich war gleich fasziniert von der stimmungsvollen Atmosphäre. Je nach Wetter kommen 4500 bis 10'000 Zuschauer, die Pferderennen hier haben eine bald 100-jährige Tradition.»
Lange wurde das Gelände vom Militär genutzt, insbesondere von der Kavallerie. 1921 sprangen die ersten Pferde um die Wette. Die sportlichen Wettkämpfe fanden grossen Anklang. 1947 wurde die erste permanente Pferderennbahn der Schweiz eröffnet.
Modeschauen und Wetten
In den 1920er-Jahren wurden die Aarauer Pferderennen zum Treffpunkt der gesellschaftlichen Elite. Vertreter des Militärs, Geschäftsleute und Politiker von Stadt und Kanton trafen sich hier zum informellen Austausch.
Für Unterhaltung wurde gesorgt: 1927 wurde mit dem sogenannten Totalisator ein Wettsystem eingeführt, bei dem das Publikum gegeneinander auf einzelne Pferde setzt.
Vor den Rennen und in den Pausen wurden ausserdem Modeschauen veranstaltet, organisiert von der nahegelegenen Schuhfabrik Bally oder der Schweizerischen Baumwollindustrie. So wurde die Wartezeit verkürzt und für die Produkte geworben.
Wieso inzwischen auch Normalos auf die Rennbahn kommen
Bis heute ist die Rennbahn ein Ort des Netzwerkens. Doch die Nutzung der riesigen Anlage änderte sich.
«Mit vier Renntagen pro Jahr ist die prächtige Anlage bei weitem nicht ausgelastet. Damit das finanziell tragbar bleibt, wird sie vermietet. Heute finden hier Veranstaltungen wie ein Openair-Kino oder ein Food-Festival statt», erzählt Beatrice Kovacs.
Zwar gebe es sie noch immer, Besitzer von bedeutenden Ställen und herausgeputzte Damen mit Kostüm und Hut. Aber ein Wandel sei spürbar, so Kovacs: «Heute ist das Publikum gemischt. Wir haben Verpflegungsstände und Platz für Familien. Man kann das Spektakel beim Picknick im Gras verfolgen.»
Die Veränderungen spiegeln sich auch in den Besitzverhältnissen: Heute gibt es vermehrt Stallgemeinschaften, bei denen mehrere Leute gemeinsam ein Pferd halten.
Das einst den Wohlhabendsten vorbehaltene Hobby des Pferderennsports wird so für breitere Gesellschaftsschichten erschwinglich.