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Blockchain in der Kunstwelt Kunst ohne Zwischenhändler, Manager und Bank: Ist das möglich?

Alle reden von Blockchain im Zusammenhang mit Kryptowährungen – die Technologie könnte aber auch die Film- und Musikwelt auf den Kopf stellen. Viele Künstler erhoffen sich dadurch mehr Souveränität und Autonomie.

Wenn man mit Tony Caradonna über Blockchain spricht, merkt man schnell: Hier geht es nicht nur um eine neue technologische Spielerei. Hier kommt ein neues Heilsversprechen.

Tony Cardonna ist Filmproduzent. Er hat soeben mit Blockchain und Kryptowährung den Film «The Pitts Circus» realisiert. Das ist der erste Film weltweit, der mit Kryptogeld realisiert wurde.

Mit Tokens den Film streamen

Ursprünglich sollte «The Pitts Circus» auf herkömmlichem Weg, sprich über Fördergelder, finanziert werden. Doch niemand wollte Geld geben.

Also entschied sich Caradonna, eine Blockchain zu programmieren und verkaufte Tokens in der Kryptowährung Ether. Diese Tokens sind quasi das Kinoticket, mit dem man den Film streamen kann.

«The Pitts Circus»

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Der von Tony Caradonna produzierte Film handelt von einer australischen Zirkusfamilie, die per Zufall an Kryptogeld gerät, das einer Schweizer Familie gehört. Die Schweizer beauftragen einen Profikiller, der die Familie durch halb Australien jagt.

www.the-pitts-circus.com

Mittelsmänner sind passé

Blockchain, das ist eine völlig neue Form, bei der Künstler und Konsument direkt über Tokens miteinander in Verbindung treten können. Dazwischen stehen keine Mittelsmänner mehr: kein Filmvertrieb, kein Verlag, keine Bank, kein Shop. Das ist die Verheissung bei Blockchain: eine Technologie, die auf Vertrauen basiert – dezentral und transparent.

Tony Caradonna sagt: «Unser Film ist eine Revolution gegen das Filmestablishment. Das ist ja so stark strukturiert und der Kuchen ist schon verteilt. Meine Wahrnehmung als Konsument ist, dass es im Kino wenig Diversität gibt. Es braucht aber mehr als nur Mainstream, sonst geht das Kino kaputt.»

Kein illegales Downloaden mehr?

Auch Johannes Gees, Gründer der Crowdfunding-Plattform «wemakeit» glaubt an eine grosse Zukunft der Blockchain: «Die Technologie bietet die Möglichkeit, dass die einzelne Bürgerin, der einzelne Künstler wieder souveräner agieren kann. Dass er einen Teil der Macht, die er an grosse Konzerne verloren hat, wieder zurückgewinnen kann.»

In der Tat hoffen Künstler darauf, für ihre Werke wieder besser entlöhnt zu werden. Da Blockchain vor Hackerangriffen sicher ist, kann das künstlerische Eigentum besser geschützt werden. Kein illegales Downloaden oder gratis Streaming mehr. Ob das in Zeiten von Gratismentalität realistisch ist?

«Eine Stunde Facebook ist gleich eine Stunde Arbeit»

«Wenn die Leute erst einmal richtig verstehen, dass alles, was ich im Internet tue, einen Wert hat, dass grosse Firmen an meinen Daten verdienen, wird sich diese Mentalität ändern. Eine Stunde Facebook ist gleich eine Stunde Arbeit – nur dass wir nichts daran verdienen. Alles, was ich im Internet mache, kostet jetzt schon Daten und damit Geld. Zukünftig kann man das hoffentlich selbst steuern.»

Doch Blockchain geht weit über ein blosses Finanzierungsmodell oder Crowdfunding hinaus. Wenn sich die sogenannte Tokenisierung in Zukunft durchsetzt, könnten Künstler ihre Werke selbstständig finanzieren, vermarkten und vertreiben.

50 Likes für 10 Tokens?

«Man sagt ja immer, dass die gesamte Kryptoökonomie der Zerstörer der Bankenwelt und aller Intermediäre ist. Da muss man aufpassen. Es ist ja nicht so, dass eine zum Beispiel eine Plattenfirma nur dazwischen steht und die hohle Hand aufmacht. Das Know-How von so einem Unternehmen wird auch in Zukunft viel wert sein, einfach auf eine andere Art und Weise», so Johannes Gees.

Gees ist überzeugt, dass alle in ein paar Jahren verschiedene Kryptowährungen auf dem Handy haben und Tokens kaufen, so wie wir heute SMS verschicken. Einfach und schnell.

Dafür muss man dann auch gar kein echtes Geld mehr investieren. Es könnte sein, dass wir mit unseren Likes auf Facebook bezahlen. 50 Likes für 10 Tokens, zum Beispiel.

Tony Caradonna jedenfalls hat schon zwei neue Projekte in der Pipeline: Über Tokens konnten sich seine Fans Themen für die nächsten Filme wünschen.

Blockchain

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Bislang laufen alle geschäftlichen Transaktionen über Mittelsmänner ab, über Banken oder Händler. Über Blockchain lässt sich jedweder geschäftlicher Austausch ohne Zwischenhändler abwickeln. Es ist wie bei einer offenen Buchführung: alles dezentral und automatisiert. Konsumenten erwerben sogenannte Tokens – so etwas wie Anteilsscheine – und jeder kann jede Transaktion nachvollziehen. Vergütungen werden automatisch ausgezahlt, wie vorab programmiert.

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