Loach hat die Sehkraft eines Auges offenbar bereits verloren, und das zweite könne sich jederzeit verabschieden. Dass der neuste Film des verdienten Regisseurs enttäuscht, hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass er sich mit seinem langjährigen Drehbuchautor Paul Laverty noch einmal nach Irland begeben hat, in das Land und in die Zeit, in der sein Cannes-Gewinner «The Wind that Shakes the Barley» von 2006 angesiedelt war.
Es ist eine weitere Märtyrer-Geschichte von aufrechten Kommunisten, machterhaltenden Klerikern und irischen Nationalfaschisten. Die historische Geschichte des einzigen gebürtigen Iren, der je als illegaler Einwanderer des Landes verwiesen wurde.
Zurück aus Amerika
Im Film kommt Jimmy Gralton eben aus seinem ersten zehnjährigen Exil in New York zurück. Dorthin ist er geflohen, als er 1922 verhaftet werden sollte, als kommunistischer Rädelsführer in einer kleinen irischen Gemeinde. Zusammen mit Freunden und Nachbarn hatte er ein Gemeindezentrum aufgebaut, auf seinem Land und ausserhalb des Zugriffs der Kirche. Eine Dance-Hall, die auch dem Singen diente, dem Unterrichten und Diskutieren – und natürlich den fröhlichen Tanzabenden, welche die Kirche nicht duldete.
Nach seiner Rückkehr dauert es nicht lange, da haben die Jungen im Dorf, allen voran die Tochter des Faschistenführers, Jimmy davon überzeugt, dass die Halle wieder geöffnet werden sollte.
Und es dauert ebenfalls nicht lange, bis der Pfarrer wieder von der Kanzel donnert und das unzüchtige Treiben nicht nur verurteilt, sondern listenweise an den Pranger stellt, wen er auf dem Weg zu Jimmys Halle gesehen hat.
Dialoge wie im Theater
Weil die Auseindersetzung zwischen dem aufrechten und beliebten Kommunisten Jimmy und dem nicht dummen, aber der Kirche verpflichteten Pfarrer im Zentrum des Filmes steht, fühlt man sich bald einmal in einer «Don Camillo und Beppone»-Epsiode – ohne den Humor und die satirische Überzeichnung.
Wenn die Leute in der Halle darüber debattieren, ob Jimmy nun als Redner gegen die Enteignung armer Farmer durch einen reichen Lord auftreten solle oder lieber nicht, dann surren Lavertys Dialoge eher über eine Theaterbühne als durch den Film. Einer redet nach dem andern, als ob es nie einen Robert Altman und überlappende Dialoge gegeben hätte. Aber auch sonst wirkt vieles theatralisch und inszeniert, trotz den naturalistischen Sets.
Brave Männer und Frauen
Das hat auch damit zu tun, dass der Pfarrer die einzige ambivalente und damit spannende Figur des Films ist. Der Rest ist klar eingeteilt in gut und böse. Der Faschist schlägt seine Tocher mit der Reitpeitsche, und all die braven Männer und Frauen um Jimmy lieben nicht nur Musik und Tanz, sondern auch gute Gedichte und Bildung.
Es ist eine Geschichte, die schon oft erzählt wurde im Kino, wenn auch nicht genau diese. Und es tut immer wieder gut, sich daran zu erinnern, wie ungerecht unsere europäische Welt einst war und immer noch ist. Aber wenn Jimmy am Ende wieder nach New York reist, diesmal offiziell deportiert, nachdem seine Hall abgefackelt wurde, dann wird er gleich wieder zu einer Fussnote. Die irische Geschichte ist extrem komplex. Ken Loachs letzter Film dagegen einfach zu simpel.