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Cannes 2014 Angst und Schrecken in Cannes

5364 Filme zeigt das Filmfestival Cannes dieses Jahr – darunter auffällig viele Horrorfilme. Lateinamerika weibelt mit einem Mini-Horror-Festival um Kundschaft, allerdings mit schwachem Auftakt. Gehobener ist der Horror in der Nebenreihe «Semaine de la critique».

Zu den Filmvorführungen selbst sind auf dem Filmmarkt dieses Jahr keine Journalisten zugelassen. Denn man möchte vor allem potentielle Käufer, Verleiher und Kinobetreiber locken. Wer als Journalistin doch einen Film sehen möchte, muss zuvor eine Einladung organisieren. Im argentinischen Pavillon erhält, wer anfragt, ein strahlendes Lächeln. Dabei stehen die Zeichen hier in diesem Jahr auf Horror. Die argentinischen Vertreter organisieren mit verschiedenen Fantastischen Filmfestivals eine Filmreihe: «Blood Window». Pünktlich zur Geisterstunde wird jeweils ein Horrorfilm aus Lateinamerika gezeigt.

Magere Geschichte um sterbende Fleischliebhaber

Ein toter Schweinekopf hängt an einer Kette in einem dunklen Raum.
Legende: Qualität mangelhaft: «Naturaleza muerta». crep

Die Reihe beginnt mit einem Streifen zur Debatte ums Fleischessen. Geniesser des zubereiteten, aber toten Tieres verschwinden in «Naturaleza Muerta» spurlos oder liegen blutig und ebenso tot wie das Huhn im Ofen auf dem Küchenboden. Fanatische Vegetarier treiben sich in der Gegend herum. Eine Journalistin, die selbst gern mal ein Steak isst, versucht dem Blutvergiessen ein Ende zu bereiten.

«Naturaleza Muerta» ist Gabriel Griecos erster Film und er hofft auf einen Käufer. Ob ihm das gelingt, ist allerdings in Anbetracht der Qualität des Films fraglich. Mit kleinsten Mitteln realisiert, ist ihm einiges zu verzeihen. Die viel zu dünne Geschichte ist jedoch unbrauchbar, um das Interesse an den sterbenden Fleischliebhabern wach zu halten.

Perfekte Weiterführung des Teenie-Schockers

Nebst dem lateinamerikanischen Mini-Horror-Festival «Blood Window» fällt auch sonst die starke Präsenz von Horror-Filmen in Cannes auf. Prominent platzieren konnten sich zwei der Genre-Filme in der Reihe «Semaine de la critique». Der Leiter der ältesten Nebenreihe von Cannes, der ehemalige Chefredaktor der Cahiers du Cinéma Charles Tesson, beweist in Sachen Horror ein gutes Näschen.

«It Follows» ist einer der beiden Horror-Beiträge, der an der Côte d'Azur seine Weltpremiere feiert. Der Film ist die perfekte Weiterführung der gängigen Teenie-Schocker – und dazu angenehm intelligent. Der 39-jährige Regisseur David Robert Mitchell empfiehlt sich durch ein frisches Casting, das professionelle Leistung bringt, mit gut geschriebenen Dialogen und einer überraschenden Kameraführung. «It Follows» ist gut erzähltes Kino.

Sexuelles Unbehagen

Eine Frau sitzt in der Unterwäsche auf einem Stuhl. Sie scheint Angst zu haben.
Legende: Nie mehr allein: Jay (Maika Monroe) wird seit dem letzten Sex verfolgt. Szene aus «It Follows». Semaine de la Critique

Wie oft im Horror-Genre steht eine Gruppe Jugendlicher im Mittelpunkt, Erwachsene glänzen beinahe gänzlich durch Abwesenheit. Mitchell rundet die Teenie-Emotion noch ab, denn der Unheilsbringer ist Sex. Gleich einer Geschlechtskrankheit überträgt «es» sich. «Es» erscheint in menschlicher Form, verfolgt seine Opfer und will sie töten.

Sex als alles beherrschendes Thema und als leitende Emotion von Jugendlichen wird hier aber nicht verteufelt. Vielmehr kommt hier das Unbehangen, das in der Adolesenzphase bei ersten sexuellen Kontakten mitschwingt, äusserst gut zur Geltung. Ein Scham- und Schuldgefühl, das die Jugendlichen auf Schritt und Tritt verfolgt.

Schockmomente halten den Adrenalinspiegel auch beim Publikum stets weit oben. Der Zuschauer bleibt bis zur letzten Minute gebanntes Opfer in den Fängen von Regisseur Mitchell.

Lichtblick Mikkelsen

Video
Ausschnitt aus «When Animals Dream»
Aus Kultur Extras vom 19.05.2014.
abspielen. Laufzeit 26 Sekunden.

Auch der zweite Horrorbeitrag der Kritikerwoche gefällt. Am Montag feierte «When Animals Dream» von Jonas Alexander Arnby aus Dänemark Weltpremiere. Er erzählt einmal mehr von einem pubertierenden Mädchen. Dass sich der Körper der 16-jährigen Marie (Sonia Suhl) verändert, ist noch nicht Angst einflössend. Dass der schöne Teenie zum Werwolf mutiert allerdings schon.

Den Vater des Tieres spielt übrigens Lars Mikkelsen, der im Trailer ebenso gut aussieht wie sein jüngerer Burder Mads. Ein Lichtblick also im Horrortal der Finsternis. Und zum Glück werden diese wahren Gruselschocker auch am Tag gezeigt. Der Heimweg nach Mitternacht wäre kaum zu überleben.

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