Wer in über 250 Filmen mitspielt, kann bei der Rollenwahl nicht allzu wählerisch sein. Udo Kier war im Verlaufe seiner langen und beispiellosen Karriere in allen möglichen Filmen zu sehen. Gut sind bei weitem nicht alle. In einem Interview sagte er 2018: «Ich habe 200 Filme gemacht. 100 sind schlecht, 50 kann man mit etwas Wein ertragen und 50 sind gut».
Egal ob er in einem zeitlosen Klassiker oder B-Movie-Trash spielte, Udo Kiers Auftritte waren von einer einnehmenden Intensität. Kier war immer engagiert, kannte weder Furcht noch Hemmungen. Die Intensität seiner Auftritte liegt zu einem guten Stück auch am durchdringenden Blick seiner grünblauen Augen.
Vom Model zum Schauspieler
Dass er mit seinem Aussehen auffiel, merkte Kier schon früh. Er wurde 1944 im zerbombten Köln geboren, lebte in einfachen Verhältnissen. Als Teenager begann er, als Model Geld zu verdienen und verkaufte in Kneipen Automatenfotos von sich selbst.
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Bild 1 von 6. Mondnazis und Weltraumwahnsinn: Udo Kier als Führer im Exil, der von der Rückkehr auf die Erde träumt. Bildquelle: Imago/Capital Pictures.
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Bild 2 von 6. Udo Kier als Elder Dragonetti in «Blade» (1998): Ein Vampir von altem Blut, der die Hierarchie verteidigt. Bildquelle: Imago/Allstar.
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Bild 3 von 6. Bösewicht mit barocker Pose: Udo Kier in der Schweizer Produktion «Tell» (2007). Bildquelle: Imago/Allstar.
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Bild 4 von 6. Als exzentrischer Freier mit Hang zur grossen Geste in Gus Van Sants «My Own Private Idaho» (1991) gelang Kier der Sprung nach über den grossen Teich. Bildquelle: Imago/Everett Collection.
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Bild 5 von 6. Stacy Martin, Shia LaBeouf und Kellner Udo Kier in Lars von Triers «Nymphomaniac: Volume II» (2014). Bildquelle: Imago/Capital Pictures.
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Bild 6 von 6. Als blasser Graf mit Blutmangel irrt Kier durch Andy Warhols Dracula (1974). Bildquelle: Imago/Everett Collection.
So lernte er in einer Bar den Regisseur Rainer Werner Fassbinder kennen. Es sollte aber noch eine Weile dauern, bis Kier in einem Fassbinder-Film mitspielte, seine Schauspielkarriere kam damals erst langsam in die Gänge.
Seine ersten Rollen hatte Kier in trashigen Horrorfilmen, die oft einen erotischen Einschlag hatten. Er war aber eben auch ein Liebling von stilbildenden Regisseuren wie Fassbinder oder Lars von Trier. Letzterer besetzte Kier in fast jedem seiner Filme. Der Sprung nach Hollywood gelang ihm in Gus Van Sants «My Own Private Idaho», wo er neben Keanu Reeves und River Phoenix zu sehen war.
Gefragter Bösewicht
Seine deutsche Herkunft kaschierte Kier in seinen amerikanischen Filmen nicht – der Akzent verriet sie stets deutlich. In Hollywood spielte er meist Exzentriker oder Bösewichte, zum Beispiel im Blockbuster «Blade» mit Wesley Snipes. Und obwohl sich Kier abseits der Leinwand als sanfter und aufmerksamer Gesprächspartner zeigte, spielte er Schurken nur zu gerne.
Es zeichnete Udo Kier aus, dass er auch in schlechten Filmen gut war. Kier war sich für keine Rolle zu schade, seine Karriere umfasst schrillen Nazi-Trash wie «Iron Sky», Flachwitzschleudern wie «Ace Ventura», das Computerspiel «Command & Conquer», Musikvideos von Madonna oder die Schweizer Apfelschuss-Komödie «Tell».
Kurzer Auftritt, bleibender Effekt
Kier hat aber keineswegs nur schlechte Filme gedreht. Neben Lars von Trier und Rainer Werner Fassbinder haben ihn auch Wim Wenders, Dario Argento, Barbet Schroeder, Michael Haneke, Christoph Schlingensief und Tim Burton engagiert.
Die Bezeichnung «Nebenrolle» mochte Udo Kier nicht, er selbst sprach von «kleinen Rollen». Kurze Auftritte reichten ihm immer, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dennoch hätte man ihm in seiner beeindruckenden Karriere mehr Hauptrollen gewünscht. Dass Kier ohne weiteres einen Film alleine zu tragen vermochte, bewies er etwa 2021 mit der Hauptrolle in «Swan Song».
Nun ist Kier im Alter von 81 Jahren überraschend gestorben. Selbstverständlich war der Schauspieler bis zuletzt produktiv – gleich sieben Produktionen mit seiner Beteiligung waren noch in Arbeit.