Die Frau bleibt zuhause, der Mann arbeitet: so das klassische Familienmodell in der Schweiz. Der Dokumentarfilm «Von der Rolle» porträtiert drei Paare, die davon abweichen.
Gedreht wurde er von einem Berner Filmemacher-Paar, das selbst ein alternatives Modell lebt: der Regisseurin Verena Endtner und dem Produzenten Dan Riesen. Im Gespräch erzählen sie, warum es sich lohnt, wenn auch Frauen Karriere machen und Männer Kuchen backen.
SRF: 80 Prozent leben in der Schweiz in einem traditionellen Familienmodell. War es schwierig, unkonventionell lebende Paare zu finden?
Verena Endtner: Es war nicht besonders schwierig. Denn dass ihr Lebensmodell als unkonventionell gesehen wird, war für diese Paare zugleich Motivation, mitzumachen. Es ist ihnen ein Anliegen, dass man sieht: Es gibt andere Modelle. Es lohnt sich, sie auszuprobieren und es funktioniert.
Woher kam die Idee zum Film?
Verena Endtner: Sie entstand aus meiner persönlichen Situation. Aus dem Gefühl, das ich habe, als Mutter in eine Rolle hineingedrängt zu werden, die ich nicht mehr zeitgerecht finde.
Ich finde es wichtig, dass ich arbeite und mein Partner auch. Ich will mich deswegen nicht mehr erklären müssen und mich nicht mehr in einer Defensivsituation befinden. Und es ist wichtig, dass wir unserem Kind vorleben, dass man beides haben kann: ein erfülltes Familienleben und Ambitionen im Beruf.
Man muss Rollen explizit ändern wollen, denn von alleine passiert das nicht.
Verfolgt ihr mit dem Film also auch eine aufklärerische Absicht?
Dan Riesen: Wir möchten mit unserem Film dazu beitragen, dass Zuschreibungen, was der Mann kann und was die Frau, durchlässiger werden. Ich habe die Hoffnung, dass er gerade Männern Mut macht, daheim Verantwortung zu übernehmen und sich in neue Gebiete zu wagen. Aber spielerisch und nicht im Kampf.
«Achtung Väter» – Vier Männer über ihre Vaterrolle
Verena Endtner: Das Ziel ist, dass man eigene Verhaltensmuster und eingeschliffene Arbeitsabläufe hinterfragt. Vielleicht ist es nicht einfacher, wenn man eine alternative Rollenverteilung lebt – aber besonders für Kinder ist das extrem bereichernd, wenn sie einen Vater und eine Mutter im Alltag, nicht nur nach Feierabend, erleben. Wenn das häufiger Realität wird oder zumindest mehr diskutiert wird, dann hätte der Film sein Ziel erreicht.
Wenn man sich den Film ansieht, muss man oft lachen. Ist das Absicht?
Dan Riesen: Viele lachen bei den Filmvorführungen wohl, weil sie sich in ihren Rollenmustern ertappt fühlen. Es ist ja eigentlich ein ernstes Thema, aber es darf auch unterhalten. Darum haben wir Animationen in den Film eingeflochten, in die auf humorvolle Art unsere eigenen Erfahrungen einfliessen.
Der Hausmann im Film wird viel dafür gelobt, dass er fähig ist, einen Kuchen zu backen.
Wie diejenige, in der die Frau einen so riesigen Kuchen bäckt, dass er in den Himmel wächst. Ein Paradebeispiel: Die Mutter versucht, alle im Kuchenbacken zu übertreffen – und glaubt, ihr Mann könne unmöglich einen Kuchen zustandebringen.
Das hat uns Hausmann Sandro im Film bestätigt: Er werde viel dafür gelobt, dass er fähig sei, einen Kuchen zu backen.
Warum sind die Rollen 2020 immer noch so verkrustet ?
Verena Endtner: Wir sind fast alle in traditionellen Familienstrukturen aufgewachsen – das saugt man sozusagen mit der Muttermilch ein. Und viele Paare, die gleichberechtigt leben, folgen ab der Geburt des Kindes wieder stärker den traditionellen Rollenmustern. Man muss das explizit ändern wollen, denn von alleine passiert das nicht.
Was braucht es, dass sich das ändert?
Verena Endtner: Frauen müssen lernen loszulassen und von ihrem Partner auch Betreuungszeit einfordern – sie haben schliesslich ein gemeinsames Kind. Und der Mann muss einfordern, dass die Frau massgeblich zum Familieneinkommen beiträgt.
Was habt ihr beim Machen dieses Filmes mitgenommen?
Verena Endtner: Eindrücklich war, dass bei allen Paaren die Toleranz, die Offenheit und die Wertschätzung gegenüber dem Partner extrem gross war. Dass die Businessfrau den Hausmann oft fragt: «Bist du zufrieden, passt es noch für dich?»
Das ist im klassischen Modell ja selten der Fall, dass der Mann nach Hause kommt und fragt: «Ist das für dich ok, dass du dauernd am Staubsaugen bist?»
Das Gespräch führte Sandra Steffan.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 26.2.20, 22:25 Uhr