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Dokumentarfilm «Die Böhms»: Das zerbrechliche Gebilde einer Architektenfamilie

Bei der Familie Böhm dreht sich alles um Architektur: Ein feinfühliger Dok-Film über das Bauwerk einer Familie.

Künstlerporträts sind eines der Kerngeschäfte des Dokumentarfilms. Einem berühmten oder wichtigen Menschen beim Alltag zuschauen, hinter die bekannten Fassaden Einblick zu bekommen, das macht den Reiz solcher Filme aus.

Fassade ist ein passendes Stichwort für den Film «Die Böhms – Architektur einer Familie». Der Dokumentarfilm von Maurizius Staerkle-Drux ist nicht das Porträt einer Person, sondern einer ganzen Familie, in der sich seit Generationen alles um Architektur dreht.

Eine Architektendynastie wie aus einer anderen Zeit

«Die Böhms» ist der erste Kinofilm von Maurizius Staerkle-Drux. Aber dennoch ist dieser kein Unbekannter hier in Solothurn: Der 26-Jährige hat letztes Jahr hier an den Filmtagen mit seinem Kurzfilm «Wenn der Vorhang fällt» den Upcoming-Förderpreis erhalten.

Wie der ausgezeichnete Kurzfilm ist auch «Die Böhms – Architektur einer Familie» ein Film, den Staerkle in seiner Geburtsstadt gedreht hat. Der Filmemacher mit Schweizer Pass ist in Köln geboren und zum Teil aufgewachsen. Er ist wohl in seiner Geburtsstadt immer wieder auf Gebäude der Familie Böhm gestossen.

«Die Böhms» sind eine Architekten-Dynastie, die wirken, als kämen sie aus einer anderen Zeit. Kommen sie eigentlich auch.

Der Patriarch der Familie, Gottfried Böhm, ist vor wenigen Tagen 95 Jahre alt geworden. Zusammen mit seinen drei Söhnen hat er ein Architekturbüro in Köln.

Auf den Zeichentischen der Böhms sind Kirchen, Moscheen, Stadien, Kinderdörfer entstanden. Gottfried Böhm ist bis heute der einzige deutsche Träger des Pritzker-Preises, dem «Nobelpreis» für Architektur. 1986 hat er ihn bekommen.

Aufmerksam beobachtet

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Natürlich ist viel von Architektur die Rede. Natürlich lotet der Film die Bauwerke des Vaters und seiner drei Söhne Stephan, Peter und Paul aus.

Zum Glück hat sich der junge Filmemacher von der – sehr grossartigen – Architektur nicht zu stark verführen lassen. Das Versprechen, das er im Titel des Films gibt, die «Architektur einer Familie» zu zeigen, löst er mit gutem Gespür ein.

Er ist mit seiner Kamera ein aufmerksamer Beobachter und Zuhörer, hängt dort ein, wo es um familiäre Strukturen geht, um den Wunsch nach Anerkennung, um die Dominanz des Vaters, um das fragile Gebilde der Familie, in der alle zusammen arbeiten wollen und doch jeder als Architekt einzigartig sein soll.

Die Mutter: Das Fundament der Familie

Im Bild ist oft der Vater, der mit seiner wunderschönen Stimme erzählt. Aber eigentlich stellt Staerkle-Drux eine andere Figur ins Zentrum des Films. Eine, die bald die grosse Abwesende ist: Elisabeth Böhm-Haggenmüller. Sie, die Frau von Gottfried, stirbt bald nach Beginn der Dreharbeiten. Präsent ist sie dennoch im Film und in der Familie.

Die Moschee in Köln. Ein weisses Gebäude mit schaltenartigen Wänden.
Legende: Von den Böhms entworfen: Die Moschee in Köln. Cineworx

Sie hat fast ihre ganze Karriere der Familie geopfert und hat selber wenig bauen können. Aber sie ist sozusagen die Architektin der Familie Böhm gewesen.

Überhaupt scheint es, als seien alle im Dunstkreis der Böhms Architekten, praktizierend oder nicht. Selbst der Familiengärtner, ein Faktotum weit jenseits des Pensionsalters, eine Figur wie aus einem alten Film, ist ursprünglich Architekt.

Ein beschränkter und feinfühliger Blick auf eine Familie

«Die Böhms – Architektur einer Familie» ist ein faszinierendes Porträt dieser nicht sehr normalen Familie. Sie lebt irgendwie seltsam abgehoben in dieser Architekturwelt, in ihrem faszinierenden Haus, das sich der Vater von Gottfried Böhm gebaut hat, und die sich doch immer auch durch die Arbeit mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzten muss und will.

Gestritten wird erstaunlich wenig in dieser Familie, die Männer sind bedächtig und ruhig – Konflikte sind trotzdem da. Und wenn Paul Böhm im Zusammenhang mit dem Bau der Moschee in Köln sagt, man müsse den Konflikt suchen um der Sache Willen, so gilt das sowohl für die Arbeit, als auch für die Auseinandersetzung in dieser besonderen Familienkonstellation.

Wenn man dem Film etwas vorwerfen will, so ist es, dass nur der Vater (und zu Beginn die Mutter), die drei Architektensöhne und der Gärtner vorkommen. Der vierte Sohn, offenbar kein Architekt (man erfährt das nicht im Film), ist ebenso wenig im Film wie Partner, Ehefrauen und Enkel.

Nur am Ende wird kurz erwähnt, das einer davon auch schon Architektur studiere. So hat man das Gefühl, nur einen beschränkten – zweifellos interessanten und feinfühligen – Blick auf das Bauwerk «Familie Böhm» bekommen zu haben. Und bleibt neugierig, wie diese Familienstruktur im Ganzen eigentlich aussieht und funktioniert, neben der reinen Architekturdynastie.

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