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Dokumentarfilmfestival in Nyon Heisser Auftakt, coole Aussichten: Das läuft am Visions du Réel

Das Dokumentarfilmfestival in Nyon findet wieder vor Ort statt – und steht auch im Zeichen des Ukraine-Kriegs.

Es brodelt auf der Leinwand. Glühende Lava fliesst unaufhaltsam die Bergflanke herunter. Zwei Gestalten in glänzenden Schutzanzügen stehen am Lava-Ufer und lächeln sich an. Das Elsässer Ehepaar Katia und Maurice Krafft war in den 1970er- und 1980er-Jahren als Vulkanologen-Team so bekannt wie Jacques Cousteau als Meeresforscher. Bis sie 1991 bei einem Vulkanausbruch in Japan gemeinsam ums Leben kamen.

Die irre Liebesgeschichte der beiden zueinander und zu den Vulkanen dieser Welt hat die US-Amerikanerin Sara Dosa zum Kino-Spektakel «Fire of Love» montiert, hauptsächlich mit Filmmaterial aus dem Archiv des Paares.

Zwei Personen stehen auf einem Vulkan.
Legende: Für ihr bildgewaltiges Porträt zweier Vulkanforscher tauchte Regisseurin Sara Dosa tief in die Archive ein und zeichnet eine aussergewöhnliche Liebes- und Lebensgeschichte nach. Visions du Réel

«Fire of Love», suggestiv unterlegt mit der Stimme der US-amerikanischen Filmemacherin und Künstlerin Miranda July, erwies sich als idealer Eröffnungsfilm für das Dokumentarfilmfestival, als Spektakel und Romanze für alle, auch für die geladenen Politikerinnen und Sponsoren. Zugleich dokumentarische Montage-Kunst für das Nyon-Publikum und die vielen angereisten Filmemacherinnen.

Filme abseits des Mainstreams

Mit Netflix und anderen Streaming-Riesen ist der globale Markt für populäre Dokumentarfilme wie «Tiger King» oder «Tinder Swindler» weitergewachsen. Davon profitieren auch die Autoren-Dokumentarfilmerinnen und ihre Produzenten mit ihren meist weitaus persönlicheren und experimentelleren Produktionen, denen die «Visions du Réel» seit Jahrzehnten eine wichtige Plattform bietet.

Hier sind Filme zu sehen, die selten ins Kino kommen, aber in spezialisierten TV-Nischen ein begeistertes Publikum finden. Auch Schweizer Produktionen wie Peter Entells «Getting Old Stinks», eine Liebeserklärung an die Eltern, sind auf dem Festival zu sehen.

4 Kinder blicken in die Kamera.
Legende: Die Geschichte von «Getting Old Stinks» wurde über 15 Jahre lang gedreht und erzählt eine bewegende Geschichte über den Tod und das Leben jenseits des Leidens. Visions du Réel

Das Live-Festival wird durch Online-Angebote ergänzt

Nyon-Direktorin Emilie Bujès ist – mehr noch als ihre Vorgänger – international bestens vernetzt. Zudem war die Nyon-Ausgabe im Pandemiejahr 2020 eine der ersten, die innert kürzester Zeit komplett online ging. Für alle die zuhause gestrandeten Dokumentarfilmerinnen der Welt war das eine willkommene Möglichkeit zum Austausch, genau wie die hybride Ausgabe 2021.

Nun haben die «Visions du Réel» die erprobten neuen Möglichkeiten der Online-Ausweitung beibehalten. Wer kann und will, kommt dieser Tage an den Genfersee. Wer verhindert ist oder es sich nicht leisten kann, nimmt an vielen Panels online teil. Das stärkt Nyon als internationale Plattform für Profis.

Der Krieg in der Ukraine ist in Nyon zu spüren

Als letztes Wochenende bekannt wurde, dass der litauische Filmemacher Mantas Kvedaravicius beim Filmen der Kriegshandlungen im ukrainischen Mariupol ums Leben gekommen ist, hat Emilie Bujès mit seinem Film «Mariupolis», den er 2016 in Nyon gezeigt hatte, eine Spezialvorführung für Freitag, 8. April organisiert.

Ein Mann blickt in die Kamera.
Legende: Mantas Kvedaravicius war ein international anerkannter Filmemacher. Seine Arbeit wurde bereits bei der Berlinale aufgeführt. Anfang April wurde er bei Dreharbeiten in der Ukraine getötet. IMAGO / Seeliger

Eine spontane Hommage an den Filmemacher, der dem Festival seit Jahren verbunden war. Ein Online-Talk zu «Filmen im Widerstand» mit ukrainischen Filmemachern war schon vorher geplant.

Die Schweiz ist breit vertreten

Erstaunlich viele neue Schweizer Dokumentarfilme sind auf dem Festival zu sehen. Und wer die Zeit oder die Mittel nicht hat, um nach Nyon zu fahren, kann für 25 Franken ein Online-Pauschal-Abo lösen.

Ab Montag sind bis Ostern insgesamt 60 wechselnde Filme aus dem Programm online zu sehen: im Überraschungssystem und nach Kinoprinzip. Das heisst, mit begrenzter Zuschauerzahl, wie in einem physischen Saal und dank Geoblocking ausschliesslich in der Schweiz.

So kann das Festival den ausländischen Produzenten die gleichen «lokalen» Bedingungen bieten wie vor Ort und sich trotzdem innerhalb der Schweizer Grenzen für ein grösseres Publikum öffnen.

Veranstaltungshinweis

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Die 53. Ausgabe des Dokumentarfilmfestival « Visions du Réel » findet noch bis zum 17. April 2022 in Nyon statt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 08.04.2022, 08:06 Uhr

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