Die Filme von Adam Curtis könnten aus dem Sozialkunde-Unterricht stammen. Nur sind sie packender und man kann unmöglich wegschauen – wie bei einem guten Horrorfilm. So hat es der amerikanische Schriftsteller Jonathan Lethem einmal beschrieben.
Die Dokumentarfilme von Adam Curtis fesseln mit enormen Tiefgang. Das ist bei seiner neuen, sechsteiligen BBC-Serie «Can’t Get You Out of My Head» nicht anders.
Vom britischen Empire zum Individualismus
Die Serie spannt einen grossen Bogen: vom britischen Empire über den Zusammenbruch des Kommunismus zur Ära eines allgegenwärtigen Konsum-Individualismus. Von den ersten Verschwörungstheorien hin zur Maschinenintelligenz unserer Zeit.
«Can't Get You Out of My Head» verwebt Sequenzen aus B-Movies, Aufnahmen von Chemielabors, von Strassenkämpfen, von Punkkonzerten oder Propagandaveranstaltungen.
Das Heute im Gestern
Das Archivmaterial, das Curtis aufstöbert, montiert er virtuos mit Pop-Musik zusammen. Und ständig hört man dazu seine einlullende Erzählerstimme.
Dabei zoomt der englische Dokumentarfilmer immer wieder vom anekdotischen Detail in das grosse Ganze. Er fischt in den Untiefen der modernen Welt Widersprüche und Gemeinsamkeiten auf. Adam Curtis sammelt das Gestern und schlüsselt so das Heute auf.
Eine kleine Geschichtsstunde
Nebenbei erfahren wir, dass der Ku-Klux-Klan seine emblematischen Kostüme Hollywood abgeschaut hat: Sie wurden aus D.W. Griffiths Filmklassiker «Birth of a Nation» übernommen.
Wir erfahren, dass der erste James-Bond-Regisseur einen Propaganda-Film für Saddam Hussein gedreht hat. Und wir erfahren, dass Bob Geldofs Benefiz-Aktion «Live Aid» für die Hungernden in Afrika von den äthiopischen Machthabern gekapert wurde, um Bürgerkriegsrivalen zu eliminieren.
Angst, Paranoia und Kritik
Curtis interessiert sich dafür, wie sehr Ängste unsere Gesellschaft besiedeln und in unseren Köpfen feststecken. Ein Gefühl ständiger Paranoia weht durch diese Dokus. Eine Grundstimmung, die Curtis aber immer wieder bricht und parodiert.
Allen gefällt das nicht: Kritiker bemängeln, dass Curtis seine Quellen nicht sauber kennzeichne. Manche stören sich an der hypnotisierenden Machart seiner Filme, die ihm gerade in der Kunstwelt viele Verehrer zugetragen hat.
Als Künstler möchte Curtis aber auf keinen Fall gelten: Er sei Journalist – nichts anderes.
Fragen statt Antworten
Der politische Denker Curtis gibt mit seinem Werk keine eindeutigen Antworten. Er will zum Nachdenken anregen. Darüber, was Machtstrukturen zusammenhält und immer wieder auch zerbrechen lässt.
Es geht um eine Welt, die scheinbar aus den Fugen geraten ist und um den Menschen, der die Kontrolle verloren hat. Oder vielleicht doch nicht?