Zum Inhalt springen

Dokuserie von Adam Curtis «Can’t Get You Out of My Head»: So betörend kann Belehrung sein

Die BBC-Dokuserie «Can’t Get You Out of My Head» blickt auf die letzten 150 Jahre zurück – und erklärt die Gegenwart.

Die Filme von Adam Curtis könnten aus dem Sozialkunde-Unterricht stammen. Nur sind sie packender und man kann unmöglich wegschauen – wie bei einem guten Horrorfilm. So hat es der amerikanische Schriftsteller Jonathan Lethem einmal beschrieben.

Die Dokumentarfilme von Adam Curtis fesseln mit enormen Tiefgang. Das ist bei seiner neuen, sechsteiligen BBC-Serie «Can’t Get You Out of My Head» nicht anders.

Vom britischen Empire zum Individualismus

Die Serie spannt einen grossen Bogen: vom britischen Empire über den Zusammenbruch des Kommunismus zur Ära eines allgegenwärtigen Konsum-Individualismus. Von den ersten Verschwörungstheorien hin zur Maschinenintelligenz unserer Zeit.

«Can't Get You Out of My Head» verwebt Sequenzen aus B-Movies, Aufnahmen von Chemielabors, von Strassenkämpfen, von Punkkonzerten oder Propagandaveranstaltungen.

Schwarz-Weiss Bild eines Mannes mit Pulli
Legende: Der Bürgerrechtsaktivist Michael de Freitas ist einer der Hauptakteure im 1. Teil der Serie . Getty Images / P. Shirley / Hulton Archive

Das Heute im Gestern

Das Archivmaterial, das Curtis aufstöbert, montiert er virtuos mit Pop-Musik zusammen. Und ständig hört man dazu seine einlullende Erzählerstimme.

Dabei zoomt der englische Dokumentarfilmer immer wieder vom anekdotischen Detail in das grosse Ganze. Er fischt in den Untiefen der modernen Welt Widersprüche und Gemeinsamkeiten auf. Adam Curtis sammelt das Gestern und schlüsselt so das Heute auf.

«Can't Get You Out Of My Head» von Adam Curtis

Box aufklappen Box zuklappen

Der Engländer Adam Curtis produziert seit fast 35 Jahren essayistische Dokumentarfilme, die unsere Welt sozial und politisch erklären. Sein unkonventioneller Stil und seine kritische Haltung haben Curtis in England zu einer Kultfigur gemacht.

Über acht Stunden lang ist seine neue sechsteilige Serie «Can’t Get You Out Of My Head». Sie kann auf BBC oder auf YouTube gestreamt werden.

Eine kleine Geschichtsstunde

Nebenbei erfahren wir, dass der Ku-Klux-Klan seine emblematischen Kostüme Hollywood abgeschaut hat: Sie wurden aus D.W. Griffiths Filmklassiker «Birth of a Nation» übernommen.

Wir erfahren, dass der erste James-Bond-Regisseur einen Propaganda-Film für Saddam Hussein gedreht hat. Und wir erfahren, dass Bob Geldofs Benefiz-Aktion «Live Aid» für die Hungernden in Afrika von den äthiopischen Machthabern gekapert wurde, um Bürgerkriegsrivalen zu eliminieren.

Angst, Paranoia und Kritik

Curtis interessiert sich dafür, wie sehr Ängste unsere Gesellschaft besiedeln und in unseren Köpfen feststecken. Ein Gefühl ständiger Paranoia weht durch diese Dokus. Eine Grundstimmung, die Curtis aber immer wieder bricht und parodiert.

Allen gefällt das nicht: Kritiker bemängeln, dass Curtis seine Quellen nicht sauber kennzeichne. Manche stören sich an der hypnotisierenden Machart seiner Filme, die ihm gerade in der Kunstwelt viele Verehrer zugetragen hat.

Als Künstler möchte Curtis aber auf keinen Fall gelten: Er sei Journalist – nichts anderes.

Ein Mann mit Brille.
Legende: Sehr präsent in «Can't Get You Out of My Head: Jiang Qing, die Frau von Mao Zedong. Keystone / AP NY

Fragen statt Antworten

Der politische Denker Curtis gibt mit seinem Werk keine eindeutigen Antworten. Er will zum Nachdenken anregen. Darüber, was Machtstrukturen zusammenhält und immer wieder auch zerbrechen lässt.

Es geht um eine Welt, die scheinbar aus den Fugen geraten ist und um den Menschen, der die Kontrolle verloren hat. Oder vielleicht doch nicht?

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 15.3.2021, 17:10 Uhr

Meistgelesene Artikel