Die Filmwelt ist keine Scheibe mehr. Auch der Schweizer Home Entertainment Markt wird immer digitaler. Download statt DVD, Streaming statt Blu-ray: Wie schlagen sich Schweizer Filme bei den grossen Online-Plattformen, wenn ihre Zeit in den Kinos einmal abgelaufen ist?
Kommerzielle Filme wie «Heidi» oder «Die göttliche Ordnung» sehr gut, sagt Patrick Schaumlechner, Pressesprecher beim Schweizerischen Video Verband und Schweizer Filmvermarkter. Und trotzdem hebt er den Warnfinger.
SRF: Wie schwierig ist es, einen Schweizer Film bei einem Online-Riesen Marke iTunes unterzukriegen?
Patrick Schaumlechner: Grundsätzlich ist das nicht schwieriger, als internationale Filme auf die Plattform zu kriegen.
Wir schätzen iTunes sehr. Sie haben grundsätzlich die Bereitschaft, ihren Kunden ein möglichst breites Angebot anzubieten – was die Industrie sehr unterstützt. Immer vorausgesetzt, man hat einen Liefervertrag.
Und der ist schwer zu bekommen?
Wir haben mehrere hundert Produzenten in der Schweiz. Es ginge einfach nicht, wenn jeder über den einen Film, den er im Jahr produziert, direkt mit iTunes Verträge aushandelte.
Der Arthouse-Film tut sich auf den digitalen Plattformen relativ schwer.
Woher kommt der Eindruck, ein Global Player wie iTunes habe kaum Schweizer Filme im Angebot?
Das weiss ich nicht. Gerade iTunes hat schon früh erkannt, dass man in der Schweiz schweizerisch wirken muss.
Zudem hat sich iTunes gross auf die Fahne geschrieben, alle Filme im Sortiment zu haben. Andere Portale wie Swisscom TV oder UPC sind da leider deutlich selektiver.
Weil sich nur mit grossen Schweizer Produktionen Geld verdienen lässt.
Klar. Sie müssen mehrere Videofiles herstellen. Eine Synopsis schreiben. Einen Film bewerben. Das ist ein Aufwand, der sich nicht immer lohnt.
Sind Schweizer Filme nur aus Prestige-Gründen bei einem Grossverteiler wie iTunes?
Sicher nicht. iTunes macht gutes Geld mit Schweizer Filmen.
Zahlen, bitte?
(Lacht.) Was ich sagen darf: Swisscom TV ist im digitalen Geschäft in der Schweiz die Nummer 1.
Die Schweizer Filme bei iTunes werden also auch geschaut?
Aber absolut.
Wie einträglich ist das digitale Zweitauswertungsgeschäft für einen Schweizer Filmproduzenten oder Schweizer Filmverleiher?
Der Arthouse-Film tut sich auf den digitalen Plattformen im Moment noch relativ schwer. Daran müssen alle Stakeholder noch arbeiten.
Für uns ist Netflix im Moment kein Businessmodell.
Aus wirtschaftlichen Gründen macht es keinen Sinn, einen Film auf eine Plattform zu bringen, wenn Sie davon ausgehen können, dass er kaum angeschaut wird.
Sie haben mit einem Film Aufbereitungs- und Administrationskosten, um das File in der geforderten Qualität zu haben.
Wir lernen gerade: Die Aufbereitung des digitalen Files ist der grösste Kosten-Posten, der anfällt.
Auf jeden Fall. Zumal wir in der Schweiz ein File in der Regel gleich drei Mal aufbereiten – deutsch, französisch, italienisch.
Erstens, weil die Startdaten in den wenigsten Fällen gleichzeitig sind. Zweitens, weil es viele Filme gibt, in denen Sie Bildtafeln oder SMS-Texte haben. Die müssen übersetzt werden.
Wie wichtig ist Netflix für die digitale Zweitauswertung von Schweizer Filmen?
Netflix ist in erster Linie ein Serienanbieter und legt mittlerweile sein Hauptaugenmerk auf Eigenproduktionen. Für uns als Spielfilm-Lieferant ist Netflix im Moment noch kein Businessmodell.
Die Flatrate hat den Lebenszyklus eines Titels massiv verkürzt.
Stichwort Flatrate: Welche Rolle spielt da der Umstand, dass Filme von Netflix pauschal abgegolten werden – es für den Lizenzinhaber also keinen Unterschied mehr macht, ob sein Titel 100 oder 100'000 Mal angeschaut wird?
Das hat vor allem Folgen im Longtail-Business. Mit VHS-Kassetten, DVDs und Blu-rays hat man lange Jahre gute Geschäfte mit einem Produkt gemacht. Die Verfügbarkeit mit der Flatrate im Abo-Modell hat den Lebenszyklus eines Titels massiv verkürzt.
Ich bin der Ansicht, die Vergütung müsste abrufbasiert und nicht «flat» geregelt sein, wie das heute bei den Video-on-Demand Anbietern Netflix oder Amazon Prime der Fall ist.
Viele Filme für wenig Geld: Die Gewinner der Stunde scheinen die Konsumentinnen und Konsumenten zu sein?
Wir müssen schauen, dass das alles in einer gesunden Balance bleibt. Wenn man am Schluss keine Filme mehr produzieren kann, weil man zu wenig Geld aus der Verwertung bekommt, dann hat am Schluss keiner gewonnen.
Das Gespräch führte Stefan Gubser.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 5.2.2018, 17:10 Uhr.