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Film & Serien Ehrliche Filme über heile und heillose Familien

Ob Patchworkfamilien oder homosexuelle Beziehungen: Das Mainstream-Kino hat sich in den letzten Jahren für alternative Lebensformen geöffnet. Doch im realen Leben ist die Vielfalt immer noch grösser als auf der Leinwand. Das Zürcher Kino Xenix sucht nun nach dem «Kino jenseits der Kleinfamilie».

Der Beifall war gross, als die Cannes-Jury 2013 den Film «La vie d’Adèle» auszeichnete. Dass ausgerechnet eine lesbische Liebesgeschichte mit der Goldenen Palme geehrt wurde, galt als Zeichen, dass alternative Lebensformen im Mainstream-Kino angekommen sind. Ähnlich tönte es, als drei Jahre zuvor der Film «The kids are allright» über ein Frauenpaar mit Kindern im Teenager-Alter zwei Golden Globes und vier Oscar-Nominierungen einheimste. Familie: Das ist auch in Hollywood nicht mehr nur Mama-Papa-Kind.

Sieht man allerdings vom Geschlecht der Liebenden ab, erzählen beide Filme eine konventionelle Liebes- bzw. Familiengeschichte. In «La vie d’Adèle» baggert die ältere, erfahrenere Progagonistin die jüngere in einem Nachtclub an und lässt sie nach einem Seitensprung fallen, wie es ein klassischer Macho nicht anders täte. Und in «The kids are allright» finden die beiden Mütter nach einigen Turbulenzen am Schluss des Films wieder zueinander – und die Kleinfamilie ist wieder heil.

Scheidung ist nicht das Ende der Welt

Zur Filmreihe im Xenix

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März-Filmreihe im Xenix in Zürich: We Used to Be Family – Kino jenseits der Kleinfamilie (27.2. - 26.3.2014). Zum Auftakt wird am 27.2. um 19 Uhr «He Was a Giant with Brown Eyes» gezeigt, in Anwesenheit der Regisseurin Eileen Hofer. http://www.xenix.ch/

Solche Bilder fand der alleinerziehende Vater und Xenix-Co-Programmleiter Reto Bühler unzureichend und machte sich auf die Suche nach Filmen, die andere Familiengeschichten erzählen. Fündig wurde er im US-amerikanischen Independent-Filmschaffen. «The Squid and the Wale» und «I Used to Be Darker» erzählen Scheidungsgeschichten auf erfrischende Art, einmal aus der Perspektive eines Sohnes, das andere Mal aus der Vater-Perspektive.

Hier werden Scheidungen nicht mehr als Katastrophe dargestellt, die möglichst rasch gekittet werden, sondern als traumatischer Einschnitt, der aber eine Chance für einen Neuanfang sein kann. «Die Filme setzen sich mit dem Trennungsprozess auseinander», sagt Reto Bühler. «Sie zeigen aber auch, dass daraus in einer neuen Form etwas sehr Positives entstehen kann.»

Dokfilmer reflektieren die eigene Kindheit

Mehr noch als im Spielfilm finden sich im aktuellen Dokumentarfilm vielfältige Familiengeschichten, und oft erzählen die Filmemacher von ihrem eigenen Aufwachsen. Die Spannbreite reicht dabei von der Auseinandersetzung mit der patriarchalen Kleinfamilie (Peter Liechtis «Vaters Garten – die Liebe meiner Eltern») über die Geschichte zweier durch die Scheidung der Eltern getrennter Schwestern (Eileen Hofers «He Was a Giant with Brown Eyes») bis hin zur Kindheit in einer Hippie-Kommune, die sich allmählich zum Alptraum mit diktatorischem Leiter entwickelt (Paul-Julien Roberts «Meine keine Familie»).

Gemeinsam ist diesen Dokfilmen ihre Aufrichtigkeit. Wie Peter Liechti, Eileen Hofer und Paul-Julien Robert ihre Väter und Mütter mit deren Unzulänglichkeiten konfrontieren, ohne sie vorzuführen, das hat Klasse. Und schaut man sich alle drei Filme zusammen an, wird klar, dass – frei nach Tolstoi – jede Familie auf ihre eigene Art unglücklich ist. Aber jede auch auf ihre eigene Art glücklich.

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